Schneidermeister Rainer Schedler im Museum des Wandels

Schneidermeister Rainer Schedler

Im „Museum des Wandels“ der Schaffarei blickt der Bregenzerwälder Schneidermeister Rainer Schedler ab dem 1. Dezember auf sein Arbeitsleben zurück. Zu sehen ist die Ausstellung zeitgleich im Foyer der AK Vorarlberg in Feldkirch und im Werkraum Bregenzerwald in Andelsbuch.

Rainer Schedler kommt 1944 in Andelsbuch zur Welt. Als es im jungen Teenageralter Richtung Berufswahl geht, steht schnell fest: Der Jüngste von vier Brüdern soll Schneider werden, wie bereits sein Vater.

Das Handwerk gefällt ihm – und ist praktisch: „Wenn du in den 50er-Jahren modern gekleidet warst, war das schon ganz etwas Anderes. Ich habe mir damals Sachen genäht, die auch aufgefallen sind“, erzählt er.

Jüngster Schneidermeister in Vorarlberg

Seine Lehre macht er bei der Familie Kolb in Lauterach, anschließend arbeitet er in Bezau. Mit 21 Jahren ist er der jüngste Schneidermeister in Vorarlberg.

Das für die Meisterprüfung notwendige Schnittzeichnen lernt er in München. Dort hätte Schedler ein Stellenangebot gehabt, doch den jungen Mann zieht es zurück in den Bregenzerwald. 1967 macht er sich selbstständig.

Dass sich der Beruf schon damals im Vergleich zu früher verändert hatte, merkt Schedler vor allem, wenn er mit seinem Vater zusammen arbeitet: „Wenn ich ihm sagte: ‘Das macht man so!’, dann hat er zwar etwas gezögert und dann gemeint: ‘Ah, das macht man so!’“

Die Aufgeschlossenheit seines Vaters prägt ihn fürs Leben: „Dass auch ich gegenüber den Jungen akzeptiere, wenn sie etwas anders machen.“

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Von der Schneiderei zum Modehandel

Der Schwiegervater gibt Anfang der 70er-Jahre den Impuls, auch auf den Modehandel zu setzen. Denn mit der Verbreitung der Konfektionsware wächst der Druck auf die Schneiderinnen und Schneider in Vorarlberg.

Während man für einen dreiteiligen Anzug früher 50 Stunden rechnete, dürfen es bald nur noch 20 sein. Und selbst das reicht irgendwann nicht mehr aus, um mit den Industriepreisen mitzuhalten.

Was vom Handwerk übrig bleibt, sind Änderungsarbeiten, Trachten und Einzelanfertigungen für Menschen, die nicht so leicht etwas von der Stange finden: „Ich hatte zum Beispiel einige Querschnittgelähmte, für die musste der Anzug sitzend passen – das ist ja etwas total Anderes“, berichtet Schedler. Schneiderbetriebe, die nicht wie Rainer Schedler umdenken, verschwinden nach und nach fast vollständig.

Schneider Rainer Schedler

Etwas handwerklich in eine schöne Form bringen

Und dennoch spielt das Handwerk für Rainer Schedler immer eine große Rolle. Als der örtliche Handwerksverein 200-jähriges Bestehen feiert, macht er einen Vorschlag: „Die Handwerker sollten einen Gestalter bringen und mit dem gemeinsam ein neues Produkt entwerfen, das wir dann ausstellen.“

Gemeinsam mit Harry Metzler und Johannes Mohr entwickelt der Handwerksverein daraus das Konzept für „Handwerk und Form“. Der Gestaltungswettbewerb, den der Werkraum Bregenzerwald seit dem Jahr 2000 alle drei Jahre ausschreibt, basiert auf dieser Idee.

„Handwerk und Form“, das ist für mich nach wie vor das Ziel: etwas handwerklich in eine schöne Form bringen.

Offen für Impulse von außen

Was Rainer Schedlers Arbeitsleben für Kuratorin Michaela Feurstein-Prasser so besonders macht? „Rainer Schedler hat es wie kein anderer verstanden, dass man sich nicht nur auf die Tradition berufen kann, sondern dass es auch Impulse von außen braucht.

Veränderungen haben innerhalb weniger Jahrzehnte den Schneiderberuf und die komplette Textilbranche umgekrempelt. Dennoch ist es Schedler gelungen, einen Weg zu finden, der für ihn funktioniert hat.“

Noch heute näht Schedler: Zum Beispiel für die Enkel und Schwiegersöhne, wenn sie Anzüge benötigen. Erst in diesem Jahr wurde seine Einreichung „Anzügle + Anzug“ von der „Handwerk und Form“ Jury ausgezeichnet.

Und auch für die Andelsbucher Musikkapelle greift er regelmäßig zu Nadel und Faden: Die Knopflöcher der Uniformjacken von Hand zu nähen, ist für ihn Ehrensache.

Über das Museum des Wandels

In den letzten 150 Jahren hat sich die Arbeitswelt stark verändert. Unser Arbeitsalltag ist wesentlich schneller geworden, technische Errungenschaften haben viele Arbeitsschritte erleichtert, jedoch auch zahlreiche Berufe überflüssig gemacht.

Das Museum des Wandels der Schaffarei zeigt, wie sich diese Veränderungen auf einzelne Menschen ausgewirkt haben. Regelmäßig porträtiert es anhand zweier Objekte und eines Video-Interviews ein individuelles Arbeitsleben. Mit der Zeit werden diese Geschichten ein digitales Museum des Wandels bilden.

Michaela Feurstein-Prasser

Die Kuratorin: Dr. Michaela Feurstein-Prasser

Michaela Feurstein-Prasser lebt und arbeitet in Wien. Sie hat Romanistik und Geschichte studiert und über französische Besatzungspolitik in Österreich nach 1945 promoviert. Seit 2011 ist sie freie Kuratorin und Kulturvermittlerin. Feurstein-Prasser war auch die Kuratorin der vergangenen fünf Ausstellungen im Museum des Wandels.

Museum des Wandels

Ein Projekt der Schaffarei – Haus für Arbeitskultur

Ausstellung
Schneidermeister Rainer Schedler – Mit Nadel und Faden zur Perfektion
ab 1. Dezember 2023

Die Ausstellung wird parallel in der AK Vorarlberg, Feldkirch, und im Werkraum Bregenzerwald, Andelsbuch, gezeigt.

Öffnungszeiten
AK Vorarlberg: Mo–Fr, 9–18 Uhr
Werkraum Bregenzerwald: Di–Fr, 10–18 Uhr, Sa 10–16 Uhr

Vernissage
1.12.2023, 19 Uhr, Werkraum Bregenzerwald
Mit Kuratorin Michaela Feurstein-Prasser und Schneidermeister Rainer Schedler

Kuratierung: Michaela Feurstein-Prasser
Fotografie: Hanno Mackowitz
Film & Schnitt: Stefan Krösbacher

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