Aaron Stöckl: „Nicht zu viel nachdenken, einfach tun.“

Aaron Stöckl

Eigentlich wollte Aaron Stöckl Physiotherapeut oder Grafiker werden. Gelernt hat er Tischler. Wie es kam, dass er jetzt seit 25 Jahren Tätowierer ist, warum sein Weg über einen anderen Beruf und sogar über einen anderen Kontinent geführt hat und weshalb er überzeugt ist, dass man nicht zu viel nachdenken, sondern einfach tun sollte, darüber hat Aaron Stöckl mit Carmen Jurkovic-Burtscher bei den ArbeitsLebensGeschichten gesprochen.

Für welche Ausbildung soll man sich mit 16 Jahren entscheiden, wenn man eigentlich seine Zeit am liebsten auf dem Snowboard oder Skateboard, vor allem aber mit seinen Freunden verbringt? Physiotherapeut oder Grafiker zu werden, das hätte Aaron Stöckl getaugt. Oder eine Profikarriere im Sport? Nein, dafür ist die Szene Ende der 1990er-Jahre noch zu klein. Bei einer Berufsberatung rät man ihm jedoch auch von seinen realistischeren Jobvorstellungen ab: Zu schwierig sei es, sich als Grafiker oder Physiotherapeut eine Existenz aufzubauen. Also geht Aaron den Weg der Vernunft. Mit den Händen gearbeitet hat er schließlich auch schon immer gern. So entschließt er sich, eine Tischlerlehre zu machen und stellt sich darauf ein, den Betrieb seines Vaters zu übernehmen. Doch schon bald merkt Aaron: So richtig seins ist das nicht. Andere Perspektive hat er aber auch keine.

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Was willst du mit dir und deinem Leben anfangen?

Auch seinem Vater fällt auf, dass sein Sohn nicht glücklich ist mit seiner beruflichen Situation. Er schlägt Aaron vor, ein Beratungsgespräch mit einem Psychologen zu führen, um herauszufinden, welcher berufliche Weg für ihn der richtige ist. In dem Gespräch bekommt Aaron keinen Rat, was er werden soll, sondern eine Aufgabe. „Die Aufgabe war, mir Zeit für mich zu nehmen und herauszufinden, was ich mit mir und meinem Leben anfangen will“, erinnert sich Aaron. Dafür sollte er aufschreiben, was er gern tut und was nicht. Eine Liste mit Pro und Contra. Ganz einfach, eigentlich.

Die Liste

Ein halbes Jahr gibt Aaron Stöckl sich Zeit … und macht erst mal drei Monate gar nichts. Dann aber setzt er sich hin und überlegt, und die Liste füllt sich. „Ich habe ganz einfache Dinge aufgeschrieben, wie dass ich nicht gern früh aufstehe zum Beispiel, oder dass ich gern zeichne“, erzählt er. Auch, dass er keinen Papierkram mag, aber gern mit Menschen zu tun hat, notiert Aaron. Über mehrere Wochen beschäftigt er sich immer wieder mit der Liste, spürt nach, ob noch stimmt, was da steht, streicht durch und ergänzt. „Eines Tages bin ich vor der Liste gesessen und mir ist ‚Tätowierer‘ in den Sinn gekommen“, sagt er dann. Seine Vorlieben und Abneigungen schriftlich vor sich zu haben, habe ihm sehr geholfen, gewisse Optionen nicht von vornherein auszuschließen, meint er rückblickend.

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Wie man Ende der 90er-Jahre in Vorarlberg Tätowierer wird

Ende der 90er-Jahre gibt es vier Tattoo-Studios in Vorarlberg und bei weitem nicht jeder ist überzeugt davon, dass man davon leben kann. Sein Vater allerdings akzeptiert den Wunsch seines Sohnes. Aaron stellt eine Portfolio-Mappe zusammen und sich bei den Studios in Österreich und der Schweiz vor, in denen er gern lernen möchte. In Feldkirch findet er dann schließlich einen Ausbildungsplatz. Zweieinhalb Tage verbringt er im Tattoo-Studio, schaut zu, zeichnet viel, bereitet Arbeitsplätze vor und räumt wieder auf. Den Rest der Woche arbeitet er weiterhin in der Tischlerei, um Geld zu verdienen. Nach einem halben Jahr macht er seine ersten einfachen Tätowierungen, nach zwei Jahren die Gewerbeprüfung. Kurz darauf bekommt er die Chance, ein neu eröffnetes Studio in Bürs zu leiten.

Der Plot-Twist

Als jedoch einige Zeit später Aarons langjährige Beziehung in die Brüche geht, kommt ihm der Vorschlag seines Freundes Bernhard „Leini“ Leiner gerade recht. Er wolle ein halbes Jahr auf Reisen gehen und surfen lernen, Aaron solle doch mitkommen. Aaron gibt die Leitung des Studios ab, packt sein „Tätowierzeug“ ein und verabschiedet sich nach Bali. Dort kauft er ein Surfbrett und ist ab dann jeden Tag auf dem Wasser.

Als sein Kumpel und er jemanden im Textil-Business kennenlernen, kommt eine neue Idee auf: „Wir wollten ein paar coole T-Shirts für uns selbst machen“, erzählt Aaron. Also schauen sie sich in den hiesigen Stoffläden um. Das Angebot ist riesig, die Preise sind klein, und auch Schneidereien gibt es wie Sand am Meer. Aaron gestaltet ein paar Designs, die sie herstellen lassen. Die T-Shirts werden so cool, dass sie auch noch ein paar Hoodies wollen. Eine Idee folgt der anderen, plötzlich gibt es eine ganze Kollektion – ein Label und ein Logo müssen her. Die beiden Neo-Textil-Händler nennen ihre Marke „Ombak“, das bedeutet Welle auf Indonesisch und bauen, beinahe ohne es zu merken, ein eigenes Business auf. Coole Schnitte und außergewöhnliche Details sind charakteristisch für die Ombak-Teile.


Zu dieser Zeit lebt Aaron seit drei Jahren in einer Beziehung mit einer Österreicherin, aus der 2013 ein Sohn hervorgeht. Marian kommt noch auf Bali zur Welt, doch Aaron wünscht sich für seinen Sohn eine gute Beziehung zu seiner Familie in Vorarlberg. Also kehrt die junge Familie zurück nach Vorarlberg. Hier kann sich Aaron bei einem befreundeten Tätowierer in Bürs auf selbstständiger Basis einmieten. Doch der Wunsch nach etwas Eigenem ist immer da. Nach einigem Zögern nimmt er auch diese Herausforderung an und eröffnet sein eigenes Studio in Hohenems. Heute ist Aaron überzeugt: „Man sollte nicht zu viel nachdenken, sondern mehr einfach tun“, sagt er. Es sei gut, eine grobe Richtung zu haben, doch zu viel zu planen würde einen nur blockieren. „Wenn man etwas sehr gern tut, dann kommt alles auf dich zu, was sein soll.“

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