„Niemals die Königin!“: Interview mit George Nussbaumer

Unzählige Tonträger, umjubelte Auftritte seit den 1980er-Jahren, ein Millionenpublikum beim Song-Contest und der Toni-Russ-Preis: Der Vorarlberger Soulmusiker George Nussbaumer braucht niemandem vorgestellt zu werden. Er ist „the voice“ schlechthin.

Die Lindauer Zeitung hat Dich einmal so beschrieben: „Der Mann hat eine Stimme, als würde er an guten Tagen mit Whiskey gurgeln und an schlechten bestenfalls mit brackigem Mississippi-Wasser.“ Jetzt lass uns das Rätsel auflösen, womit gurgelst Du wirklich?

Also, ich empfinde meine Stimme einfach als eine Gnade. Ich glaube, in jedem von uns steckt etwas Besonderes. Und ich verstelle meine Stimme gar nicht, die klingt wirklich so. Natürlich hab ich sie anfangs ruiniert und war nach jedem Konzert drei Tage lang heiser. Und dann hab ich mich gefragt: Wie machen das nur die Großen? Freunde haben mir geraten: Nimm doch Gesangsunterricht! Das hab ich gemacht, bei Annika und Walter Kräutler. War gut und fatal zugleich, denn nach zwei Stunden Gesangsunterricht kriegst Du gar keinen Ton mehr heraus, weil Du viel zu viel nachdenkst. Aber letztendlich ist die Stimme mein wertvollstes Kapital und ich hab was draus gemacht. 

Das heißt mit anderen Worten, Du hast Dir Deine Stimme weder erraucht noch ersoffen!

Doch, doch, durchaus. Aber schon mit 16, ich hab quasi zuerst am Produkt gefeilt. (Lacht, dass der ganze Körper vibriert.)

Lieber George, das Festival steht unter dem Motto „Bewegt Euch!“, und lauter emsige Bienen zieren die Plakate. Jetzt frag ich mich, welche Rolle wohl Dir im Bienenstock zukäme?

Oje, auf jeden Fall wär ich ein Teamarbeiter. Nie im Leben wäre ich die Königin! Ich bin nämlich im Grunde ein sehr fauler Mensch und muss immer ein wenig getrieben werden, damit ich mich bewege. Gott sei Dank gab es in meinem Leben immer Leute, die gesagt haben: Gib nicht auf! Mach das jetzt! Ich selber halte es ja eher mit Randy Newman, der gesagt hat: Wenn ich eine Idee habe, versuche ich, sie gleich wieder zu vergessen. Leider gelingt mir das nicht und schlimmer noch: Meistens erzähle ich sie vorher weiter und dann haben wir das Malheur!

Dein neues Album ist das Erste mit ausschließlich eigenen Songs. Es trägt den Titel „Did Anybody Say It Would Be Easy“ (hat irgendjemand gesagt, es würde leicht sein). Was tust Du, wenn es Dir mal so richtig dreckig geht? Was baut Dich wieder auf?

Ich mach einen Unterschied zwischen Akzeptieren und Annehmen. Akzeptieren impliziert, dass ich nichts dagegen machen kann. Wenn ich ein Problem aber annehme, dann kann ich die Situation formen, etwas daraus machen. Noch immer ist es Musik, die mich wieder rausholt, wenn ich in ein Loch gefallen bin. Alkohol dagegen ist ganz schlecht. Das seh ich auch bei anderen.

Und welche Musik hört George Nussbaumer, wenn er so für sich allein ist?

Ich hab eine Zeit lang gar nicht mehr viel Musik gehört, weil Musik so beliebig geworden ist, durch die Streamingdienste und all das. Ich kann jederzeit alles haben, was ich will. Aber zuletzt hab ich mir viel Marvin Gaye aufgelegt und mich richtig reingehört.

Du hast vor kurzem in einem Interview gesagt: „Glück ist auch Arbeit.“ Wann ist Arbeit Glück?

Da muss sich zuerst sagen, dass ich den Satz „Jeder ist seines Glückes Schmied“ gar nicht leiden kann. Denn es gibt bei vielen Menschen Umstände, die sie selber gar nicht beeinflussen können. Aber ich denke auch, dass viele Menschen mehr Selbstvertrauen brauchen würden. Zur Arbeit und zum Leben gehört auch, Entscheidungen zu treffen. Zu wissen, was man will. In Wahrheit gehört dieses Wollen ganz entscheidend dazu. Weißt Du, nur weil ich seit 25 Jahren als Blinder die Station-Voice bei Antenne Vorarlberg bin, bedeutet das nicht, dass automatisch nach mir wieder ein Blinder diesen Job kriegen muss. Es muss einfach jemand sein, der den Job gut macht. Und um seinen Job gut zu machen, musst Du ihn zu 90 Prozent gern machen.

Was bedeutet Arbeit für Dich?

Ich stoß mich daran, dass Arbeit immer so negativ besetzt ist. Sie schenkt uns doch die Möglichkeit, etwas tun und gestalten zu können, etwas Kreatives zu tun. Ich selber habe dieses unverschämte Glück, dass ich im Grunde tun kann, was ich will. Niemand schafft mir an. Andererseits hab ich finanzielle Verpflichtungen und wenn ich mal länger ausfalle, verdiene ich keinen Cent. Das ist die Kehrseite.

Die „Bagger Boys“ – George Nussbaumer, Wolfgang Verocai und Ulli Troy – haben sich dem Müllskandal in Lustenau und der Kanisfluh angenommen und zuletzt über schwarze Ross’ und braune Esel gesungen. Steht als nächstes der Siemens-Skandal auf dem Programm?

Also, der Ulli Troy hat immer die Ideen. Ich warte auf seinen Anruf! Aber Du hast schon recht, es ist langsam wirklich nicht mehr lustig, was sich da abspielt. Und ich befürchte Schlimmstes, was da noch alles auf uns zukommt. Selbst das Wort Kurzfilm hat inzwischen eine ganz andere Bedeutung.

Du wirkst so gechillt, dabei kommen viele Deiner Zeitgenossen gar nicht mehr klar. Alles ist unsicher geworden mit Krieg, Pandemie usw. Was rätst Du den Menschen in all dieser Aufgeregtheit unserer Tage?

Ich hab gerade zu meinem Stiefsohn gesagt: Behandle die Menschen einfach so, wie Du selber behandelt werden möchtest. Das ist doch eine einfache Grundregel. Wenn wir uns daran halten würden, wäre vieles leichter.

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