GutePraxis: Exkursion zu illwerke vkw und Getzner Textil
Wie kann ein Arbeitsleben aussehen, das sich gut mit Familie und Freizeit vereinbaren lässt? Dieser Frage ist die GutePraxis-Exkursion der Schaffarei am 10. November 2023 auf den Grund gegangen. Dass es innovativen und offenen Unternehmen durchaus gelingen kann, familienfreundliche Arbeitswelten zu schaffen, von denen alle profitieren, davon konnten sich die 24 Teilnehmenden sowohl bei illwerke vkw im Montafon als auch bei Getzner Textil in Bludenz überzeugen.
Ein gemeinsames Frühstück ist ein guter Start in den Morgen. Was für Familien gilt, hat sich auch für die GutePraxis bewährt. So begann dieser Exkursions-Freitag um 8:45 Uhr für die Teilnehmer:innen wieder mit Kaffee und Croissant im Foyer der Arbeiterkammer in Feldkirch – bevor es unter der Leitung von Brigitta Soraperra und Matthias Moosbrugger mit dem Bus gemeinsam zur ersten Station des Tages ging: zum Hauptsitz der illwerke vkw in Vandans.
Teil 1: illwerke vkw und Golm Silvretta Lünersee Tourismus in Vandans
Wer gelegentlich im Montafon unterwegs ist, dem ist sicherlich schon einmal der 120 Meter lange markante Holzbau aufgefallen, der etwa zu einem Viertel in das Rodund-Becken 1 ragt. Gleich daneben haben die illwerke vkw Mitte 2022 mit dem „energie campus“ eine ebenso nachhaltige wie moderne Ausbildungsstätte geschaffen. Ein großer Raum mit Dachterrasse bietet hier im vierten Stock Platz für Schulungen, Besprechungen, Firmenfeste – oder für Besuche wie jenen der Schaffarei.
Vereinbarkeit für alle
Dicke Regenwolken verhängten zwar den Ausblick auf das umliegende Bergpanorama. Doch die Einblicke, die uns Eva Pohn und Judith Grass an diesem Vormittag gaben, waren mindestens genauso interessant. Eva Pohn leitet die Organisationseinheit Recruiting und Ausbildung bei den illwerke vkw. Von ihr erfuhren die Teilnehmer:innen unter anderem, warum „Zukunftssicherheit“ bei den illwerke vkw sowohl für den Unternehmenszweck als Energieversorger als auch für das Anwerben von und den Umgang mit Mitarbeitenden eine wichtige Rolle spielt. Rund 1500 Personen sind bei illwerke vkw beschäftigt, circa 100 Lehrlinge in neun Ausbildungsberufen. Rund 20 Prozent der Mitarbeitenden sind weiblich und etwa ein Drittel aller Mitarbeitenden hat Kinder unter 15 Jahren. Das bedeutet für das Unternehmen, dass Vereinbarkeit nicht nur für Familien, sondern für unterschiedlichste Lebensalter und -modelle funktionieren muss. Etwa für Menschen, die sich in ihrer Freizeit freiwillig engagieren oder für jene Mitarbeitenden, die kurz vor der Pensionierung stehen. Teilzeit sei in allen Lebensphasen immer öfter ein Thema, doch am häufigsten nutzen nach wie vor Frauen diese Möglichkeit. Seit gut einem Jahr wird die Option auf Teilzeit bei illwerke vkw in Stellenausschreibungen aktiv kommuniziert. Das Ergebnis: 35 Prozent aller neu eingestellten Mitarbeitenden sind Frauen. Doch unabhängig von Geschlecht oder Familienstand: „Wir versuchen im Rahmen unserer Möglichkeiten für jede und jeden eine passende Lösung zu finden“, sagt Eva Pohn. Sei es mit einer Teilzeitanstellung, mit einem geeigneten Karenzmodell, einer befristeten Freizeitoption oder mit Ferienbetreuung für die Kinder.
Ausgezeichnet familiär
Im Anschluss stellte Geschäftsführerin Judith Grass die Golm Silvretta Lünersee Tourismus vor. Das Tochterunternehmen der illwerke vkw hat sich „familiär“ als einen von drei Markenwerten auf die Fahnen geheftet. Das gelte nicht nur für die Angebote der Ski- und Freizeitgebiete an seine Gäste, sondern auch für die Mitarbeitenden. Konkret bedeute das, so Judith Grass, dass das Unternehmen langfristige Arbeitsverhältnisse anstrebe. Zum Beispiel, in dem es – für den Tourismus eher untypisch – Ganzjahresanstellungen anbietet. Dazu kommen auf Betreuungszeiten und familiäre Bedürfnisse abgestimmte Teilzeitmodelle, freiwillige Sozialleistungen, eine betriebliche Altersvorsorge oder auch die Ferienbetreuung von Schulkindern in den Sommerferien. Besonders von sich reden gemacht hat das Unternehmen 2022 mit der Einführung der 4-Tage-Woche. „Das Modell können wir allerdings nur in einem Teil des Unternehmens und auch nur im Sommer anbieten“, so Grass. Dennoch: Der Versuch hat so gut funktioniert, dass die 4-Tage-Woche auch dieses Jahr angeboten wurde und „vermutlich bestehen bleibt“. Mit ihrem Engagement hat Golm Silvretta Lünersee Tourismus 2022 den Staatspreis „Familie & Beruf“ gewonnen. Nicht nur in der Sparte Tourismus, sondern über alle Branchen hinweg. Ein noch größerer Gewinn allerdings sei für das Unternehmen die Tatsache, dass bereits Ende Oktober alle Stellen für die Wintersaison besetzt seien, und dass es kaum mehr Fluktuation gebe. Gibt es da noch Verbesserungspotenzial? „Natürlich!“, ist Judith Grass überzeugt. Etwas dahingehend, die Väterkarenz auch in ländlichen Regionen attraktiver zu machen.
Investiert in die Ausbildung
Nachdem alle Fragen der interessierten Zuhörer:innen beantwortet waren, führte Betriebsrat Michael Segato die Exkursions-Teilnehmer:innen durch das Ausbildungszentrum. In den ersten drei Stockwerken sind hier moderne Lehrwerkstätten untergebracht – vom klassischen Handwerkzeug bis zu Hightech-Equipment mit allem ausgestattet, was ein illwerke vkw Lehrling in seinem späteren Arbeitsleben kennen und beherrschen muss. 25 neue Lehrlinge bildet illwerke vkw als einer der größten Lehrbetriebe in Vorarlberg auch dieses Jahr wieder aus. Angeboten werden Ausbildungen in den Fachbereichen Metalltechnik, Elektrotechnik, Mechatronik und IT.
Unter den Wolken – über dem Wasser
Einen entspannten Ausklang fand der informative und inspirierende Vormittag beim gemeinsamen Mittagessen im Betriebsrestaurant im eingangs erwähnten illwerke zentrum montafon. Hier genossen die Teilnehmer:innen neben Burgern, Riebel und Co den trotz grauem Novemberwetter schönen Ausblick auf den Stausee.
Teil 2: Getzner Textil in Bludenz
Eine kurze Busfahrt später nahmen die Teilnehmer:innen der GutePraxis-Exkursion ihre Besucher-Warnwesten im Foyer von Getzner Textil in Bludenz entgegen. Nur wenige Minuten später wurden sie von Roland Comploj persönlich willkommen geheißen. In einer kurzen Präsentation gab der Vorstandsvorsitzende der Getzner Textil den Teilnehmer:innen Einblicke in die lange Geschichte und die breite Produktpalette des seit über 200 Jahren in Bludenz ansässigen und in siebter Generation familiengeführten Unternehmens. Von Stoffen für hochwertige Hemden und Blusen, über technische Textilien bis zu Sitzbezügen für Autos und öffentliche Verkehrsmittel reicht das Produkt-Portfolio bei Getzner Textil. 95 Prozent der produzierten Stoffe werden in die ganze Welt exportiert. Inzwischen beschäftigt Getzner Textil rund 1500 Mitarbeitende aus 44 Nationalitäten an sieben Standorten in Österreich, Deutschland und der Schweiz, davon 1.080 am Hauptsitz in Bludenz. Von 61 Lehrlingen in 13 Lehrberufen absolvieren 47 ihre Ausbildung ebenfalls in der Alpenstadt. Wie kann man als Arbeitgeber so vielen unterschiedlichen Menschen und Ansprüchen gerecht werden? „Indem wir Wertschätzung leben“, sagt Roland Comploj. Eines der Anzeichen dafür, dass das durchaus ernst gemeint ist, sind die rund 200 Arbeitszeitmodelle, mit denen das Unternehmen versucht, den Bedürfnissen der Mitarbeitenden in möglichst allen Lebensphasen entgegenzukommen. Ein eigenes Gesundheitsteam, ein Essenszuschuss oder die Förderung einer umweltfreundlichen Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln gehören zu dieser Wertehaltung genauso dazu, wie moderne Mitarbeiterwohnungen oder eine betriebseigene Kinderbetreuung. Doch dazu später mehr.
Von Webstühlen bis Wasseraufbereitung
Auch wenn es viel zu sagen gab: Die Präsentation war kurz und übersichtlich. So blieb auch für einen Blick in die Produktion bei Getzner Textil genug Zeit. Bei der persönlichen Führung konnten sich die Teilnehmer:innen einen Eindruck von der Textilproduktion verschaffen: Von der Weberei, wo Baumwolle aus aller Welt täglich zu 140.000 Laufmetern hochwertigen Stoffen verarbeitet wird bis in den Versand, von wo aus die fertigen Stoffe wiederum ihren Weg zurück zu Kund:innen in aller Welt antreten. Auch in Sachen Umweltschutz gab es bei einem Abstecher mit Umwelttechniker Michael Schranz einiges zu sehen: Dass etwa Arbeitsschritte wie das Bleichen und Färben keine Umweltschäden verursachen, dafür sorgt Getzner Textil unter anderem mit einer betriebseigenen Wasseraufbereitungsanlage. Erst wenn die Abwässer hier vorgereinigt wurden, werden sie zur ARA in Ludesch geleitet. In einer eigenen Laugenrückgewinnungsanlage können zudem 75 Prozent der eingesetzten Lauge wiederverwendet werden. Wo gewoben und gewaschen wird, da entsteht auch einiges an Wärme. Diese speist Getzner Textil bereits seit über 20 Jahren in ein Fernwärmenetz, das zahlreiche öffentliche Gebäude in der unmittelbaren Umgebung sowie das Val Blu versorgt.
Farbenfrohe Familienfreundlichkeit
Nach der Führung übergab Roland Comploj das Wort an Perrine Getzner. Bis vor Kurzem war die zweifache Mutter für das Lehrlingswesen im Unternehmen verantwortlich. Heute leitet sie die Personalentwicklung auf 70-Prozent-Basis. Denn auch Führen in Teilzeit sei, wie sie sagt, bei Getzner Textil gelebte „gute Praxis“. Von Perrine Getzner erfuhren die Teilnehmer:innen mehr über das Karenzmanagement und die Möglichkeiten der Teilhabe, die das Unternehmen für werdende und karenzierte Mütter anbietet.
Ein Herzensprojekt Getzners ist der Outdoor-Betriebskindergarten „Buntspechtle“, Vorarlbergs erste betriebliche Natur-Kinderbetreuungseinrichtung. 15 Ganztages-Betreuungsplätze für Zwei- bis Dreijährige stehen hier seit Beginn des Schuljahres zur Verfügung – als Ergänzung der betriebseigenen Kleinkindbetreuung „Buntstiftle“ unter der Trägerschaft der Stadt Bludenz. Die Betreuungszeiten in beiden Kindergärten sind so ausgelegt, dass sie sich möglichst reibungslos an die Schichtzeiten im Betrieb anpassen, auch die Schließzeiten in den Ferien sind möglichst kurz. Bemerkenswert daran ist jedoch noch einiges mehr: Etwa der pädagogische Ansatz nach Montessori, der Schwerpunkt auf MINT-Themen oder die Tatsache, dass die Kinder 90 Prozent des Tages im Freien verbringen. Begeistert waren die Teilnehmer:innen der GutePraxis-Exkursion auch davon, welchen Impact das Projekt auf das Zusammengehörigkeitsgefühl im Unternehmen hatte: In den acht Monaten von der Idee bis zur Umsetzung hätten, so erzählt Perrine Getzner, alle mit Begeisterung angepackt. Die bislang ungenutzte Grünfläche gleich hinter dem Getzner Shop sei von den Lehrlingen eingezäunt worden. Eltern und andere helfende Hände hätten den Garten mit Feuerstelle und Sandspielplatz angelegt und die Betriebstischlerei die Möbel für den Aufenthaltsraum und die Küche gebaut. Bei einer abschießenden Besichtigung des Betriebskindergartens konnten sich die Teilnehmer:innen gleich selbst ein Bild davon machen, wie diese naturnahe Kinderbetreuung aussieht. Auch wenn an diesem Freitagnachmittag um kurz vor 17 Uhr keine Kinder mehr über die Wiese tobten – es war einfach sich vorzustellen, wie bunt und abwechslungsreich so ein Tag im „Buntspechtle“ für die Küken und Nesthäkchen bei Getzner Textil sein muss – und welche Vorteile dieses außergewöhnliche Kinderbetreuungsangebot für die Eltern unter den Mitarbeiter:innen hat.
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