Museum des Wandels: Braumeister Erwin Hammerer

Von Malz, Maische und Vollendung


Wenn im Foyer der AK Vorarlberg mehr als 100 Besucher:innen zusammenkommen, hat das stets einen besonderen Grund. Am Abend des 7. März 2024 war es die Vernissage der jüngsten Ausstellung im Museum des Wandels. Interessierte und viele, viele Wegbegleiter haben sich eingefunden, um mit Braumeister Erwin Hammerer auf sein langes, erfolgreiches Arbeitsleben in einem Beruf zurückzublicken, in dem sich über die Jahrzehnte so einiges verändert hat.

Im Gespräch mit Kuratorin Dr. Michaela Feurstein-Prasser erzählt Erwin Hammerer (84) vor den beiden Vitrinen mit den Ausstellungsstücken von seinem Werdegang und begeistert das Publikum mit präzisen Erinnerungen und humorvollen Anekdoten.

Erwin Hammerer wird 1939 als drittes von acht Kindern in Egg im Bregenzerwald geboren. Als es Mitte der 1950er-Jahre für den damals 17-Jährigen darum geht, einen Beruf zu erlernen, lautet der gutgemeinte Rat seines Vaters: Am besten wäre einer, bei dem man die Abfälle selbst essen kann. Also beginnt Erwin eine Bäckerlehre. Doch schon bald merkt er, dass dies eine „eher staubige Angelegenheit“ und so gar nicht seins ist. So beschließt er, dem Zufall in Form eines Aushangs an einem Telegrafenmast zu folgen, mit dem die Brauerei Egg 1955 Lehrlinge sucht. Dass er gedenkt, seine Ausbildung in der Bäckerei abzubrechen und stattdessen das Bierbrauen zu lernen, erzählt er seinem Vater jedoch erst, als er die Zusage in der Tasche hat.

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Als das Brauen noch Handwerk war

Damals macht das „Brauhandwerk“ dieser Bezeichnung noch alle Ehre: „In meiner Lehre habe ich alle Flaschen noch von Hand etikettiert“, erinnert sich Erwin, „sogar die Limonade!“ Und auch im Brauprozess selbst, den der junge Bursch damals von der Pike auf lernt, passiert vieles ausschließlich von Hand – und mit viel Fingerspitzengefühl.

Ein Thermometer zum händischen Messen der Maischetemperatur

So hat Erwin Hammerer etwa den Sud während seiner Lehrzeit noch von Hand und mit direkter Beheizung hergestellt. Ein Prozess, der heute längst digital gesteuert und überwacht wird. „Damals haben wir die Sudpfanne noch mit Holz befeuert und mit Kohle beheizt“, erklärt Erwin dem Publikum, zu dem auch eine Delegation an Braumeistern und der österreichische Bierpapst Conrad Seidl zählen. „Die Temperaturführung, die beim Maischen für den Stärke- und Eiweißabbau notwendig ist, haben wir damals von Hand über die Züge oder das Herausziehen und Hineinschieben der Glut geregelt“, erzählt Erwin. Mit dem ersten Ausstellungsstück, einem Brauthermometer aus den 1950er Jahren, kontrolliert er damals die Temperatur der Maische, ebenfalls von Hand, versteht sich. „Da bin ich hier wohl der Einzige, der das noch so gemacht hat“, meint er schmunzelnd.

Hauptsache überhaupt etwas lernen

Der Umstand, dass Erwin in seiner Ausbildung eine Zeitlang ohne Braumeister dasteht und es deshalb niemandem auffällt, dass er eigentlich schon längst in die Berufsschule nach Wien hätte gehen sollen, tut seiner Lernbereitschaft und -begeisterung keinen Abbruch. Er absolviert stattdessen die allgemeine Berufsschule in Vorarlberg und schließt dort, trotz verspätetem Einstieg, mit Auszeichnung als bester Schüler ab.

Im Anschluss arbeitet der Bregenzerwälder in verschiedenen Brauereien in der Schweiz, in Luxemburg und in Deutschland, bevor er die Braumeisterschule in Berlin besucht. Hier legt er im Jahr 1963, mit gerade einmal 24 Jahren, seine Meisterprüfung ab. Im Anschluss arbeitet Erwin zunächst in der Stadlauer Malzfabrik in Wien als Vize-Malzmeister, bevor er im Innsbrucker Adambräu Brauführer wird, wie der zweite Braumeister im Fachjargon genannt wird. 1968 beginnt Erwin in der Brauerei Fohrenburg in Bludenz, zunächst nochmals als Brauführer, bevor er selbst Braumeister wird.

Stahltanks für haltbares Bier

In dieser Funktion ist Erwin Hammerer auch verantwortlich für zahlreiche Modernisierungsschritte. Sichtbares Zeichen sind die grünen zylinderkonischen Hochtanks, die noch heute das Erscheinungsbild der Brauerei prägen. Diese Tanks sind heute das zweite Ausstellungsstück im Museum des Wandels – aufgrund ihrer Größe und Unabkömmlichkeit jedoch in Form einer Fotografie. Die Hochtanks werden 1984 im Zuge der Errichtung der neuen Gäranlage installiert. „Die Einführung dieser Tanks war ein Wagnis“, sagt Erwin, „aber eine, die sich bis zum heutigen Tag bezahlt gemacht hat. Denn früher, so erfahren die Zuhörer:innen, hätte Bier in etwa die Haltbarkeit von Milch gehabt. Das habe daran gelegen, dass die Materialien, die man seinerzeit in Brauereien verwendet hat, nicht dazu geeignet gewesen seien, ein haltbares Bier zu machen. Ganz früher hätten die Lagerfässer aus Holz bestanden, später habe man Aluminiumtanks gehabt. Da habe man zum Reinigen nach jedem Entleeren hineinkriechen müssen, erinnert sich Erwin. Doch erst als Stahlfässer für den Transport und Stahltanks für die Gärung und Lagerung üblich geworden seien, sei eine sterile Reinigung möglich geworden. „Die Einführung der großen Stahltanks in der Brauerei Fohrenburg waren Voraussetzung dafür, dass ein gutes und auch haltbares Bier gebraut werden konnte“, ist Erwin deshalb überzeugt.

„Die Einführung der großen Stahltanks in der Brauerei Fohrenburg waren Voraussetzung dafür, dass ein gutes und auch
haltbares Bier gebraut werden konnte.“

Während seiner 31-jährigen Tätigkeit in der Brauerei Fohrenburg steigt Braumeister Erwin Hammerer zum technischen Leiter und schließlich zum Prokurist und Geschäftsführer auf. Bis zu seiner Pensionierung 1999 bildet Erwin 20 Lehrlinge aus und gestaltet zahlreiche technologische Innovationen mit. Doch nicht nur die Methoden, Materialien und Messtechniken haben sich in den nunmehr fast 70 Jahren sehr verändert, seit Erwin Hammerer selbst als Lehrling angefangen hat. Auch der Ausbildungsweg ist inzwischen ein anderer. Heute sei ein akademischer Weg üblich. Erwins Empfehlung an alle, die eine Karriere als Braumeister in Betracht ziehen, lautet: maturieren, anschließend eine verkürzte Lehre machen und schließlich ein Studium in Brauwesen absolvieren, etwa am Campus Weihenstephan der Technischen Universität München.

Ist seine Arbeit als Braumeister rückblickend denn eher ein Beruf oder eine Berufung gewesen, lautet die abschließende Frage des unterhaltsamen Gesprächs. Es sei eigentlich alles viel besser geworden, als er es sich anfangs vorgestellt habe, sagt Erwin und ergänzt: „Es war ein Beruf, der letztlich zur Berufung geworden ist.“

Wer die Gelegenheit versäumt hat, Erwin Hammerer bei der Vernissage am 7. März zu erleben, kann im Museum des Wandels neben dem Thermometer und einer Darstellung der Hochtanks im Foyer der AK Vorarlberg noch bis 12. April 2024 ein Interview mit ihm auf Video sehen.

„Es war ein Beruf, der letztlich zur Berufung geworden ist.“

Museum des Wandels

Ausstellung: Foyer der AK Vorarlberg, Feldkirch
Öffnungszeiten: Mo–Fr, 9–18 Uhr

Kuratierung: Dr. Michaela Feurstein-Prasser
Fotografie: Hanno Mackowitz
Film & Schnitt: Stefan Krösbacher

Pop-up-Ausstellung im Werkraum Bregenzerwald

Ab 21. März bis 15. Juni 2024 ist das Museum des Wandels im Werkraum Bregenzerwald zu Gast. Wer die Vernissage am 7. März in der AK Vorarlberg verpasst hat, hat dort noch einmal die Gelegenheit, Erwin Hammerer persönlich aus seinem ereignisreichen Arbeitsleben erzählen zu hören. Der Eintritt ist frei.

Vernissage: 21. März, 19 Uhr
Ausstellung: 21. März bis 15. Juni 2024
Öffnungszeiten: Di- Fr, 10-18 Uhr. Sa 10- 16 Uhr

Sonderausstellung „Mythos Handwerk – Zwischen Ideal und Alltag“
Vorarlberg Museum

Ebenfalls zu sehen ist der Film zur Ausstellung bis 6. Jänner 2025 in der Sonderausstellung „Mythos Handwerk – Zwischen Ideal und Alltag“ im Vorarlberg Museum.

Über das Museum des Wandels

In den letzten 150 Jahren hat sich die Arbeitswelt stark verändert. Unser Arbeitsalltag ist wesentlich schneller geworden, technische Errungenschaften haben viele Arbeitsschritte erleichtert, jedoch auch zahlreiche Berufe überflüssig gemacht. Wer kennt sie heute noch, die Blaudrucker oder Weißnäherinnen, die Buchstabengießer oder Laternenanzünder, die Weichensteller oder Aufzugführer?
Im Erdgeschoss der Schaffarei zeigen wir, wie sich diese Veränderungen auf einzelne Menschen ausgewirkt haben. Zweimal im Jahr porträtieren wir anhand zweier Objekte und mittels eines Interviews ein individuelles Arbeitsleben. Mit der Zeit werden diese Geschichten ein digitales Museum des Wandels bilden.

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