Hannes Hagen: „Wenn ich sehe, wie happy die Leute sind, ist das einfach der Hammer.“

Seine Kindheit verbringt Hannes Hagen zwischen Klassik und Kühen. Heute ist er Veranstalter von Festivals und Konzerten. Wie ihn sein Weg über Kimaanlagentechnik und Krankenpflege hierhergeführt hat, hat er im Gespräch mit Carmen Jurkovic-Burtscher bei den ArbeitsLebensGeschichten in der Schaffarei erzählt.

Sein Vater ist passionierter Sänger mit Leidenschaft für Opern und Operetten, seine Großeltern führen einen Bauernhof – und Hannes fühlt sich in den 70er und 80er-Jahren in beiden Welten zu Hause. Auch für Dinge mit Kabeln interessiert er sich schon früh: Mit acht Jahren installiert er eine „Do not disturb“-Lampe an seiner Kinderzimmertür, wenige Jahre später baut er Autoradios in Traktoren ein. Mit 14 beginnt Hannes eine Ausbildung zum Elektrotechniker. Eine eher pragmatische Entscheidung, wie er heute sagt, denn „irgendeine Ausbildung muss man ja machen.“

„Irgendeine Ausbildung muss man ja machen.“
Hannes Hagen

In seinem ersten Job baut er Steuerungen für Klimaanlagen. In seiner Freizeit spielt er E-Gitarre in mehreren Bands und denkt darüber nach, vielleicht doch Gitarrenfachverkäufer zu werden – bis ihm der Zivildienst beim Roten Kreuz Einblick in eine ganz andere Welt eröffnet. „Die Arbeit mit Menschen, das hat mich getroffen wie ein Blitz“, sagt Hannes heute. „Mir war sofort klar, dass ich das weitermachen will.“

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Kurz nach dem Zivildienst bewirbt er sich an der Krankenpflegeschule. „Das war für mich das Naheliegendste, weil es der nächste Zugang zum Menschen ist“, sagt er rückblickend. Nach der Ausbildung arbeitet er auf der Unfallstation im „Böckle“ Unfallkrankenhaus, das heute Teil des Landeskrankenhauses Bregenz ist, bis auf der Intensivstation eine Stelle frei wird. Dort zieht es ihn schon seit einem Praktikum in der Krankenpflegeschule hin. Die Herausforderung habe ihn besonders gereizt und das Team sei klasse gewesen, erzählt er.

Vom Grill zur Gesamtverantwortung

Die Bands, in denen Hannes in seiner Freizeit nach wie vor spielt, sind nur bedingt erfolgreich. An seinem Gitarrenspiel wird es nicht gelegen haben, denn er nimmt viele Jahre Unterricht am Jazzseminar in Lustenau. Hier entsteht auch der erste Kontakt mit dem Szene Openair, das eng mit dem Jazzseminar verbunden ist. 1990 findet die erste Veranstaltung statt, bei der Schüler:innen und Lehrer:innen ihr Können in Jazz- und Blueskonzerten zeigen. Hannes ist fast von Anfang an dabei, leistet Basisarbeit am Grill und am Zapfhahn. So erlebt er auch die schwierige Zeit Mitte der 90er live mit, als eine Öffnung hin zu anderen musikalischen Stilrichtungen zur Überlebensfrage für das damals noch unbekannte Format wird. Als das Openair kurz vor der Kippe steht, übernimmt er mit Anfang 20 die Verantwortung für die Organisation und legt damit den Grundstein für die Veranstaltung, wie man sie heute kennt. Die ersten Jahre sind hart. „Es war schwierig, gute Acts zu bekommen“, erinnert sich Hannes. Als beim Openair 1998 die letzte Band spielt und niemand mehr zuhört, krempelt er alles um. Im Jahr darauf spielen „H-Blockx“ zum ersten Mal und das Openair entwickelt eine neue Zugkraft.

Heute wirken 130 ehrenamtliche Vereinsmitglieder und 800 freiwillige Helfer:innen mit und das Szene Openair ist bei tausenden Besucher:innen jährlich ein Highlight der Festivalsaison. Auch die Kontakte zu Bands und Agenturen entwickeln sich gut. Immer öfter wird Hannes gefragt, ob er nicht auch außerhalb des Openairs Konzerte veranstalten würde. Die ersten Schritte in diese Richtung macht er 2004 im Conrad Sohm und „… plötzlich waren es 15, 20 Konzerte im Jahr“, erinnert sich Hannes. Das geht nicht mehr nebenher, also gründet er eine Firma.

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 Alles der Reihe nach

In diesen ersten Jahren verantwortet Hannes Hagen nicht nur das Szene Openair und baut nebenher sein eigenes Unternehmen auf, er arbeitet auch noch immer hauptberuflich als Krankenpfleger. Das klingt nach sehr, sehr vollen Arbeitstagen. Wie er das schafft? „Alles der Reihe nach, das geht schon“, lacht Hannes und wirkt dabei, als wäre das alles wirklich keine Anstrengung gewesen. Wenig Schlaf, gute Zeiteinteilung und die Tatsache, dass die Organisation von Veranstaltungen ohne den Dauerpräsenz-Druck der sozialen Medien noch um einiges statischer war, hätten es möglich gemacht, sagt er. Tatsächlich jedoch kommt auch Hannes irgendwann an seine Grenzen. Auch wenn er seinen Job nach wie vor sehr gern macht, sieht er ein: So geht es nicht weiter. Dass es trotzdem drei Jahre dauert, bis er im Krankenhaus kündigt, hat mehrere Gründe. Zum einen mag er seinen Job nach wie vor. Zum anderen sei es nicht einfach gewesen, sich in der Veranstaltungsbranche zu etablieren und zudem mit hohem finanziellen Risiko verbunden, sagt er. Doch schon 2007 steht der damals 35-Jährige auf so stabilen Beinen, dass er den Schritt wagt und sich beruflich ganz dem Veranstalten von Events und Konzerten widmet.

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Die neugewonnene Freizeit nutzt Hannes Hagen, um gleich noch eine Produktionsfirma zu gründen, mit der er drei Jahre lang Festivals in Kroatien, Tschechien und der Slowakei veranstaltet. Noch heute kümmert er sich um die technische Leitung auf Festivals in Österreich, wie zum Beispiel dem Frequency oder dem Nova Rock. Auch dem Conrad Sohm ist er treu geblieben. Als Hannes Rothmeyer 2011 beschließt, die Leitung des Dornbirner Clubs abzugeben, übernimmt Hannes Hagen die Geschäftsführung.

 

Kein Szene, kein Sohm, kein gar nichts

 

Neun Jahre später, im März 2020, setzt Covid die Veranstaltungsbranche in künstlichen Tiefschlaf. Nichts läuft mehr – kein „Szene“, kein Sohm, kein gar nichts. Ganz anders sieht es auf den Intensivstationen des Landes aus. Schon in den ersten Wochen der Pandemie erhält Hannes einen Anruf von seinem ehemaligen Chef: In Bregenz bereite man sich auf den Worst Case vor, ob er Interesse hätte, wieder einzusteigen? Hannes sagt zu und nach einem Auffrischungskurs arbeitet er für elf Monate wieder „am Menschen“. Die restliche Zeit nutzen er und sein Team für eine Renovierung im Conrad Sohm, die ohnehin geplant war. Die Öffnung der Branche zieht sich hin, doch dann geht plötzlich alles ganz schnell. 2021 kann das bereits abgesagte Szene Openair doch noch stattfinden. Von da an kehrt in der Branche nach und nach wieder Normalität ein.

Schlaf bekommt Hannes Hagen zwar noch immer wenig, doch das stört den heute 51-Jährigen nach wie vor nicht. Seine Energie zieht er aus gelegentlichen Verschnaufpausen in der Natur, aus guter Musik und vor allem aus dem, was er in den Gesichtern seiner Gäste erkennt: „Wenn ich sehe, wie happy die Leute sind, ist das einfach der Hammer. Darum mache ich das.“

 

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