Rein äußerlich hat sich das ehemalige Jugendhaus Graf Hugo kaum verändert. Dennoch ist vieles neu und alles besser. Durch eine behutsame Revitalisierung ist mit der Schaffarei als Haus für Arbeitskultur in den vergangenen eineinhalb Jahren ein urbaner Treffpunkt für Austausch, Reflexion, Bildung, Kultur und Genuss im erweiterten Zentrum von Feldkirch entstanden. Federführend dabei: Designer und Architekt Daniel Büchel.
Wie lässt sich im zukünftigen Haus für Arbeitskultur eben diese sichtbar machen? Diese sehr abstrakte Frage stellte sich Daniel Büchel Anfang letzten Jahres, als es darum ging, das bereits komplett ausgehöhlte Haus in Widnau 10 neu zu gestalten. „Ich reagiere auf das, was ich vorfinde“, beschreibt der Designer und Architekt seine Arbeitsweise, „transferiere Vorhandenes und bringe es in einen neuen Kontext.“ Wo sonst Bestandsmaterialien und sogar Sperrmüll Ausgangspunkt seiner Neugestaltung sind, musste er dieses Mal einen anderen Ansatzpunkt suchen – und fand ihn in Bürowelten aus verschiedenen Epochen und Ländern.
Meilensteine des Möbeldesigns aus den 40er- bis zu den 80er-Jahren machen nun über die drei Obergeschosse den historischen Wandel im Verständnis von Arbeit erlebbar.
Besonders spannend: Alle drei Etagen werden vom Digital Campus Vorarlberg als Schulungs- und Büroräume genutzt. Umgeben von Design-Ikonen der Arbeitsgeschichte entsteht so eine einzigartige Sogwirkung in Richtung Zukunft der Arbeit.
Drei Etagen – drei Bürowelten
Im erstens Obergeschoss empfängt zeitloses Design aus Skandinavien die Kursteilnehmer:innen. Gleich im ersten Büro ein Klassiker: Ein Sibast-Schreibtisch von Arne Vodder aus den 40er-Jahren.
Das zweite Obergeschoss widmet sich österreichischem Design, unter anderem vertreten durch den legendären „Austrochair“ von Franz Schuster im Seminarraum oder den früheren Sitzungstisch der AK Niederösterreich, der im hiesigen Besprechungszimmer eine würdige Nachnutzung findet. Ein weiteres besonderes Fundstück: Das ehemalige Direktionsbüro der Firma Pelko in Simmering wurde im Büro der Geschäftsleitungnahezu 1:1 rekonstruiert.
Im dritten Stock repräsentiert italienisches Design vergangene Arbeitswelten: unter anderem durch stapelbare Sessel von Giancarlo Piretti für Castelli (1969) oder Bürotische und Sideboards von Ettore Sottsass für Olivetti (1980er).
Was nach enormem finanziellen Aufwand klingt, hat hauptsächlich Zeit und vor allem Kuratierungsgeschick gefordert. Denn bis auf wenige Ausnahmen besteht das gesamte Interieur aus Altware. „Der wertvollste Sessel im Haus ist ein Fundstück vom Sperrmüll“, verrät Daniel Bühel, andere sind gekauft. Wo genau, das hingegen verrät der Designer, Architekt und Kurator in Personal-Union nicht. „Man kann solche Möbel in Vintage-Stores zu astronomischen Preisen erwerben. Oder man weiß, wo man suchen muss“, schmunzelt er.
Das Erdgeschoss als Schnittstelle zur Öffentlichkeit
Während die Räumlichkeiten in den Obergeschossen dem Digital Campus Vorarlberg sowie den Schaffarei-Formaten vorbehalten sind, dient das Erdgeschoss als Schnittstelle zur Öffentlichkeit. Ein Empfangsbereich mit Mikro-Museum zu „Arbeit im Wandel“ – bildet den thematischen Auftakt und den Eingangsbereich zur Gastronomie. KUCHE&KLUB stehen allen Gästen offen. Eine bewusste Entfärbung und eine Skalierung der Möbel sorgen in der KUCHE für großzügiges Raumgefühl. Die von Daniel Büchel und KARAK entworfenen Tische mit Tischplatten aus handgefertigten Keramikfliesen der Fliesenmanufaktur in Bludenz bilden einen edlen Kontrast zu den hervorragend erhaltenen historischen Kalksteinmauern, die in der KUCHE wie auch im KLUB komplett freigelegt wurden. Wie jede Entscheidung wurde auch diese sehr bewusst getroffen. „Ich überlege hundert Mal in alle Richtungen, ob etwas wirklich Sinn macht“, fasst Daniel Büchel zusammen. „Denn wenn man etwas umgestaltet, sollte es wesentlich besser sein als das, was vorher da war.“
Ein Original öffnet sich nach außen
Auch das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes hat sich kaum verändert. Fassade, Fenster und die Fensterläden sind originalgetreu aufbereitet worden. Lediglich die neue, einladende Terrasse öffnet das Gebäude zum Innenhof der AK Vorarlberg. So entsteht Freiraum mit mediterranem Campus-Flair – für Austausch, Reflexion, Kultur und Genuss zwischen Arbeit, Lernen und Feierabend.
Über Daniel Büchel
Daniel Büchel (geb. 1968 in Galtür) bezeichnet sich selbst als „Architekt in der Kunst und Künstler in der Architektur“. Zahlreiche international anerkannte Projekte tragen seine unverwechselbare Handschrift. Unter anderem das mit Architektur- und Designpreisen vielfach ausgezeichnete Magdas Hotel in Wien (2015) oder die Fabrik Klarenbrunn in Bludenz (2018). Daniel Büchel lebt und arbeitet derzeit überwiegend in Vorarlberg.