Lisbeth Postl: „Ich habe lange gesucht“

Lisbeth Postl und Carmen Jurkovic-Burtscher sitzen in Stühlen und unterhalten sich miteinander.

Wer sucht, der findet, so heißt es. Dass diese Suche durchaus auch dauern und mehrere Wendungen nehmen kann, das zeigt einmal mehr die ArbeitsLebensGeschichte von Lisbeth Postl. Heute leitet die Zoologin aus Graz die AK Bibliotheken in Feldkirch und Bludenz. Wie sie hierher gefunden hat, hat sie im November im Gespräch mit Carmen Jurkovic-Burtscher in der Schaffarei erzählt.

Kann man an den Knochen im Schlund eines Brabantbuntbarsches erkennen, in welcher Tiefe er gelebt hat? Spoiler: Kann man nicht, zumindest nicht definitiv. Dennoch beschäftigt diese Frage Lisbeth Postl jahrelang.

Die Grazerin studiert Zoologie in ihrer Heimatstadt und forscht im Rahmen ihrer Doktorarbeit zu den „Tropheus moorii“. Da diese Fische jedoch nur im südlichen Tanganjikasee in Afrika leben, reist Lisbeth insgesamt fünfmal nach Sambia. Zuletzt, 2010, bleibt sie für fünf Monate und leitet temporär die dortige Forschungsstation und Lodge.

Auch zurück in Graz dreht sich für Lisbeth alles um die Buntbarsche und ihre Kiefer. Doch die erhofften Forschungsergebnisse bleiben aus. „Ich konnte keine signifikanten Unterschiede feststellen. Also hatte ich auch nichts Bahnbrechendes zu publizieren“, sagt Lisbeth.

Dazu kommt, dass sie für ihre Forschung hunderte Fische töten muss – ein Graus für die junge Frau, die ja wegen ihrer Liebe zum Leben und zu den Tieren Zoologie studiert.

Ein gutes Jahr Arbeit trennt Lisbeth noch von ihrem Doktortitel, doch sie sieht in ihrer Forschungsarbeit keinen Sinn mehr und hört auf. Keine leichte Entscheidung für die damals 33-Jährige, immerhin hatte sie drei Jahre in ihr Doktoratsstudium investiert.

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Auf die Uni folgt der Umzug

Die Zeit nach dem Studium ist nicht leicht für Lisbeth. So recht weiß sie nicht, was sie als Nächstes tun soll. Immer schon wollte sie einmal weg aus Graz, etwas anderes sehen. Wien wäre eine Möglichkeit. Doch dann kommt Amor ins Spiel: Auf der Hochzeit einer guten Freundin aus Vorarlberg lernt sie deren Bruder kennen.

Sie verlieben sich und Lisbeth zieht um. Nach Bürs statt nach Wien. Doch mit ihrer Ausbildung einen Job zu finden, gestaltet sich in Vorarlberg schwierig. Sie bewirbt sich in ganz Vorarlberg auf unterschiedlichste Stellen, nimmt parallel an Fortbildungsmaßnahmen teil.

„Ich habe lange gesucht und Verschiedenes gemacht“, erzählt Lisbeth. Auch Regale eingeräumt bei einem Discounter, Hauptsache Arbeit. Ein Knochenjob, den sie auf Anraten ihres Arztes bald wieder aufgibt. „Es ist unglaublich, was die Leute dort den ganzen Tag leisten. Meine Halswirbelsäule hat das nicht mitgemacht.“

Biologie macht Schule

Schlussendlich findet Lisbeth eine Anstellung in einer höheren Schule in Bludenz. Von jetzt auf gleich unterrichtet die Quereinsteigerin 215 Schüler:innen im Alter von zehn bis 18 Jahren in neun Klassen, eine davon als Klassenvorständin. 

Chemie, Biologie und Gesundheitswissenschaften, teils auf Matura-Niveau, gehören zum Stoff, den sie sich erst selbst erarbeiten und dann – ohne pädagogische Vorbildung – vermitteln muss. Eine sehr fordernde Aufgabe. „Wenn man Jugendliche zum Lernen animieren und sich gegen die permanente Reizüberflutung durchsetzen will, dann muss man ordentlich liefern“, sagt Lisbeth. „Das ist echt eine Kunst.“

Und auch wenn ihre Liebe zur Biologie nach wie vor groß ist, und sie es sehr genießt, etwas davon an interessierte Schüler:innen weiterzugeben, ist nach einem Schuljahr Schluss: „Ich habe viel über Menschen und viel über mich selbst gelernt. Aber ich habe auch gelernt, dass ich keine geborene Lehrerin bin“, sagt sie rückblickend.

„Ich habe viel über Menschen und viel über mich selbst gelernt. Aber ich habe auch gelernt, dass ich keine geborene Lehrerin bin.“

Plan, wie es weitergehen soll, hat Lisbeth Postl auch jetzt keinen konkreten. Einen Wunsch jedoch hat sie sehr wohl: Sie möchte ein Praktikum in der AK Bibliothek in Feldkirch machen. Hier ist sie eingeschrieben, seit sie in Vorarlberg lebt, denn die Liebe zu Büchern ist bei Lisbeth mindestens genauso groß wie die Liebe zur Biologie.

„Ich war immer schon ein Leseratz“, sagt sie. „Während der Schulzeit habe ich jeden Sommer sicher so 40 bis 50 Bücher gelesen.“ Auch jetzt verbringt sie oft und gerne Zeit in der Bibliothek.

Dabei kommt sie auch mit der damaligen Leiterin Ulrike Eckschlager ins Gespräch und fragt einfach nach, ob sie nicht einmal zum Schnuppern kommen könne. 2014 schließlich ergibt sich die Gelegenheit. Auf das Schnuppern folgt das ersehnte Praktikum – und darauf schließlich eine Festanstellung.

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Die Menschen sollen finden, was sie suchen

Lisbeth fängt mit 24 Stunden an. Wo jemand ausfällt, springt sie ein und lernt so von Anfang an jede Tätigkeit von Grund auf kennen: Von der Medienpflege, also das Auswählen, Bestellen, Katalogisieren und Einsortieren der Bücher, Platten, CDs oder Spiele über den Verleih und die Rückgabe bis zum Ausmustern.

„Es reicht ja nicht, eine große Auswahl zu haben. Die Menschen sollen auch finden, was sie suchen“, schmunzelt Lisbeth. Dabei hilft auch eine Aufgabe, der sie besonders gerne nachkommt: Beratung. Hier kann Lisbeth aus ihrem riesigen Erfahrungsschatz schöpfen.

Denn auch heute noch liest sie vier bis fünf Bücher jede Woche. Am liebsten Krimis und Sachbücher, aber auch Mangas. „Natürlich in meiner Freizeit“, lacht sie, „bei der Arbeit kommt eine Bibliothekarin nicht zum Lesen.“

Da Lisbeth keine Ausbildung hat, etwa als Buchhändlerin, macht sie beim Büchereiverband Österreichs den Lehrgang zur hauptamtlichen Bibliothekarin im gehobenen Dienst und arbeitet nun Vollzeit. Ihre Schwerpunkte: Naturwissenschaften, Technik und Computer, Medizin und Reiseliteratur, später Belletristik.

Im Juli 2020 geht Ulrike Eckschlager in den Ruhestand und Lisbeth Postl übernimmt die Leitung der AK Bibliothek in Feldkirch mit vier und jener in Bludenz mit drei Mitarbeiterinnen.

Auch wenn inzwischen mehr Organisatorisches zu ihrem Aufgabenbereich zählt, eines lässt sie sich nicht nehmen: Lisbeth liest nicht nur für sich gerne, sie liebt es auch vorzulesen. Gelegenheit, ihr zuzuhören gibt es etwa bei den „Wollmaus trifft Leseratte“-Abenden, die, abgesehen von Juli und August, einmal pro Monat in der AK Bibliothek in Feldkirch stattfinden.

Hat Lisbeth Postl gefunden, wonach sie gesucht hat? Es sieht ganz so aus. „Die Arbeit in der Bibliothek ist wunderbar. Ich liebe die Medien, ich liebe die Atmosphäre, mein Team ist großartig und unsere Kund:innen sind entzückend – da passt wirklich alles.“

Interessiert an spannenden ArbeitsLebensGeschichten? Weitere Termine findest du im Veranstaltungskalender.

Tipp: Das kostenlose Angebot der AK Bibliotheken

Tausende Medien vom Buch bis zum Brettspiel und sogar Vinyl – dazu ein umfangreiches Online-Angebot an E-Books, Hörbüchern, Zeitungen, Zeitschriften, Magazinen, Filmen, Sprachkursen und vieles mehr gibt es in den AK Bibliotheken in Feldkirch und Bludenz für alle kostenlos.

Auch ein Blick auf den Veranstaltungskalender lohnt sich, denn in den AK Bibliotheken wird für kleine und große Bücherfans immer etwas geboten.

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