GutePraxis: Exkursion zu carla Vorarlberg und Collini

GutePraxis Exkursion Carla

Diversität am Arbeitsmarkt? Das klingt gut. Doch wie geht man als Unternehmen damit um, dass Menschen eben verschieden sind? Welche Rolle Diversität bei carla Vorarlberg spielt und was die Collini GmbH in Hohenems dafür tut, aus der Vielfalt der Arbeitnehmenden ein starkes Team wachsen zu lassen, dem ging die GutePraxis-Exkursion am 17. Mai 2024 auf den Grund.

Interessierte Männer und Frauen unterschiedlichen Alters und aus unterschiedlichsten Berufen trafen sich im Foyer der Arbeiterkammer Vorarlberg zum Auftakt der sechsten GutePraxis-Exkursion. Und sie alle hatten ein gemeinsames Ziel: Mehr über die Arbeitskultur und -prozesse der beiden Unternehmen zu erfahren, die sie an diesem Tag unter der Leitung von Brigitta Soraperra und Ina Küfner besuchen würden. Nach einer kurzen Kennenlernrunde ging es dann auch schon los.

Erste Station: carla – ein soziales Unternehmen der Caritas

Der erste Teil der Exkursion zu carla Vorarlberg bestand dieses Mal aus gleich drei Teilen. Den Anfang machte ein Besuch im carla Tex Kleidersortierwerk in Hohenems. Hier wurden die Teilnehmenden von Karoline Mätzler, der Fachbereichsleiterin Arbeit und Qualifizierung und von Elke Kocevar, der Verantwortlichen für Öffentlichkeitsarbeit empfangen.


Das Kleidersortierwerk ist ein Teil von carla, den sozialen Unternehmen der Caritas, zu denen auch die carla Shops gehören, von denen wir später am Vormittag ebenfalls einen besuchen werden. Ziel der sozialen Unternehmen der Caritas ist die Integration von am Arbeitsmarkt benachteiligten Menschen in ein reguläres Beschäftigungsverhältnis am ersten Arbeitsmarkt. Befristete Arbeitsplätze sowie eine den persönlichen Anforderungen entsprechende Unterstützung sollen dabei helfen, diese berufliche Integration zu ermöglichen. Damit treffen in den sozialen Unternehmen der Caritas zwei Themen aufeinander, wie sie aktueller nicht sein könnten: Arbeitsmarktpolitik und Kreislaufwirtschaft.

Das carla Text Kleidersortierwerk

8,5 Kilogramm Textilien werden in Vorarlberg pro Kopf und Jahr gespendet. Damit liegt das Bundesland österreichweit an erster Stelle. In jeder Gemeinde stehen Sammelcontainer zur Verfügung, die ein- bis zweimal pro Woche geleert werden.

GutePraxis Exkursion Carla

So finden jede Woche 70 Tonnen Textilien und Schuhe ihren Weg in das carla Tex Kleidersortierwerk.  3.500 Tonnen Secondhandkleider sammelte carla Vorarlberg allein im Jahr 2023. Dazu kommen noch rund 208 Tonnen Möbel plus allerlei Haushaltswaren und Elektrogeräte, die in eigenen Werkstätten für den Verkauf aufbereitet werden.

Doch was passiert mit all den Textilien, die hier in Hohenems sortiert werden? Ein bis zwei Prozent werden in den carla Secondhandshops in Dornbirn, Feldkirch, Bludenz, Lustenau und Altach verkauft. Ein Teil der Kleidungsstücke, Schuhe, Tisch- und Bettwaren werden zur Erstausstattung von Flüchtlingen und als Soforthilfe bei Notsituationen ausgegeben oder an Partnerunternehmen im Ausland verkauft.

Was nicht mehr tragbar ist, das sind in der Regel 20 bis 25 Prozent, wird als Rohstoff in der Industrie eingesetzt, etwa als Dachpappe oder Isolationsmaterial, oder zu Putzlappen weiterverarbeitet. 15 Prozent der Kleiderspenden muss carla kostenpflichtig entsorgen, da sie nicht wiederverwendet werden können. Dies geschieht in der nächstgelegenen Müllverbrennungsanlage in Buchs in der Schweiz.

GutePraxis Exkursion Carla

Möslepark Altach

Die kurze Busfahrt nach Altach reicht kaum aus, um die vielen Eindrücke aus dem Kleidersortierwerk sich setzen zu lassen, da geht es auch schon weiter mit der nächsten Station: Im Möslepark haben die Teilnehmenden die Gelegenheit, einen Blick in das Möbellager und die Elektrowerkstatt zu werfen, bevor der Vormittag im carla Einkaufspark nebenan ausklingt.

Seit 30 Jahren gibt es carla nun in Vorarlberg. Das erste carla Geschäft eröffnete in Feldkirch, damals noch als reine Ausgabestelle. „Das war sehr stigmatisierend, sowohl für diejenigen, die dort aufgrund ihrer sozialen Situation einkaufen mussten, als auch für die Mitarbeitenden“, sagt Karoline Mätzler.

Heute sind alle fünf Shops im Land darauf ausgelegt, den Kund:innen ein einladendes Einkaufserlebnis zu bieten. Von der attraktiven Warenpräsentation bis zur saisonalen Dekoration und zu Abverkäufen ist alles so angelegt, wie man es von anderen Mode- oder Möbelgeschäften kennt. Davon profitieren nicht nur die Kund:innen. Auch die Mitarbeitenden haben so die Möglichkeit, ihre Fertigkeiten für den ersten Arbeitsmarkt unter realen Bedingungen zu erlernen oder aufzufrischen. Von der Auszeichnung der Ware über die Dekoration bis zum Beratungsgespräch und zum Kassieren – wer in den carla Shops arbeitet, erwirbt alle Fähigkeiten, die auch am ersten Arbeitsmarkt im Verkauf gefragt sind.

Warum jemand am ersten Arbeitsmarkt kaum Chancen hat, kann unterschiedlichste Gründe haben.

Insgesamt finden in den sozialen Unternehmen der Caritas rund 180 langzeitarbeitslose Menschen jährlich als Transitarbeitskräfte Beschäftigung und Unterstützung. 

Als langzeitarbeitslos gilt, wer länger als 12 Monate ohne Beschäftigung ist. Die Transitarbeitskräfte bei carla stammen aus 35 Nationen, der Anteil an Frauen liegt bei 60 bis 70 Prozent, der Altersdurchschnitt bei 48 Jahren. Warum sie am ersten Arbeitsmarkt kaum Chancen haben, kann unterschiedlichste Gründe haben. „Wir beobachten allerdings massive Steigerungen bei psychosozialen Themen“, erklärt Karoline Mätzler.

Umso wichtiger ist die betriebliche Sozialarbeit, mit der die carla Unternehmen den Transitarbeitskräften Unterstützung anbietet. „Zudem versuchen wir, auf die individuellen Möglichkeiten der einzelnen Personen einzugehen und die Hürden möglichst gering zu halten“, sagt die Fachbereichsleiterin. „Wenn jemand bei uns anfängt, stellen wir lediglich zwei Fragen: Was möchtest du machen und wann kannst du anfangen?“ Danach folgen individuelle Qualifizierungsmaßnahmen und viel „Learning on the Job“, sowie professionelle Unterstützung beim Wiedereinstieg, insbesondere bei Online-Bewerbungen oder auch durch direkte Vermittlung.


Zweite Station: Collini GmbH in Hohenems

Nach einem gemeinsamen Mittagessen ging es weiter zu einem weiteren Unternehmen, bei dem Diversität großgeschrieben wird: zur Collini GmbH in Hohenems. Hier wurden die Teilnehmenden direkt mit Schutzmänteln, -brillen und Headsets ausgestattet und in zwei Gruppen durch das Unternehmen geführt.

Collini wurde vor 125 Jahren als Scherenschleiferei gegründet und hat sich seitdem zu einem hoch spezialisierten Anbieter von Oberflächenbeschichtungen entwickelt. Heute betreibt Collini 15 Produktionsstandorte in Österreich, Deutschland, Italien, Russland, Mexiko, China und der Schweiz, wobei Kompetenzzentren auf unterschiedliche Beschichtungslösungen spezialisiert sind.

Warum jemand am ersten Arbeitsmarkt kaum Chancen hat, kann unterschiedlichste Gründe haben.

GutePraxis Exkursion Collini

Am Hauptsitz in Hohenems etwa galvanisiert und anodisiert Collini Kundenteile aus Aluminium, Messing, Stahl oder Zinkdruckguss, wie Exkursionsteilnehmenden bei der spannenden Führung erfuhren. Dabei wurden nicht nur die komplexen Beschichtungsvorgänge ausführlich erklärt, die Teilnehmenden konnten auch einen Blick in die unterschiedlichsten Unternehmensbereiche, von den Werkshallen mit Trommel- und Gestellbeschichtungsanlagen, bis ins Labor und zur Abwasseraufbereitung werfen.

Lehrlinge – mittendrin statt nur dabei

Nach der circa einstündigen Führung konnten die Teilnehmenden sich mit Kaffee und Kuchen stärken, bevor Laura und Dario zunächst aus Lehrlingssicht einen Blick auf ihren Ausbildungsbetrieb warfen.

Dabei betonten die beiden Auszubildenden nicht nur, dass es in dem Industriebetrieb keinen Unterschied im Umgang mit weiblichen und männlichen Lehrlingen gibt. Auch das vielfältige Angebot, mit dem Collini von Anfang an neben der Fachausbildung auch die Wertehaltung, den Zusammenhalt der Lehrlinge untereinander und den Selbstwert der jüngsten Mitarbeitenden stärkt, sorgt offensichtlich für Begeisterung. Von einem jährlich stattfindenden Collini-Camp über Selbstverteidigungs- aber auch Gewaltpräventionsworkshops bis hin zu einer Writers Class war unter anderem die Rede.

Heute beschäftigt Collini 1.600 Mitarbeitende aus 50 Nationen.

Doch nicht nur die Herkunft, auch die Altersstruktur ist vielfältig. Beinahe exakt in vier gleich große Gruppen teilen sich die Mitarbeitenden nach Alter, in Zehn-Jahres-Schritten von unter 30 bis über 50. Deutlich in der Überzahl jedoch sind nach wie vor die Männer, sie bilden 72 Prozent der Belegschaft. Ziel des Unternehmens ist es, bis 2030 den Anteil an Frauen auf über 30 Prozent, langfristig auf 50 Prozent zu erhöhen. „Unser Hauptproblem dabei ist, dass wir zu wenig Bewerbungen bekommen“, sagt Felizitas Steurer.

In einem ersten Schritt wurden bereits die Stellenausschreibungen überarbeitet. Auch weitere Maßnahmen, um Collini als Arbeitgeber für Frauen attraktiv zu machen, sind in Planung oder bereits in Arbeit. Darunter beispielsweise Teilzeitangebote, eine Karenzberatung für Eltern oder ein Empowerment-Programm zur Qualifizierung als Standortleiterin speziell für Mitarbeiterinnen. „Wir wollen den Frauenanteil auch in der Führungsebene erhöhen“, sagt Elisabeth Wieser. „Hier ist unser Ziel, in fünf Jahren fünf Standortleiterinnen zu haben.“

GutePraxis Exkursion Collini

Ausgezeichnete Initiative: „Respekt!“

Vergangenes Jahr rief Collini am Standort Hohenems die Initiative „Respekt!“ ins Leben: Während die Mitarbeitenden sich abteilungsübergreifend mit verschiedenen Herausforderungen in der Zusammenarbeit beschäftigten, stand die Produktion für einen Tag still.

In zufällig ausgewählten Gruppen wurden die fünf Fokusthemen Rassismus, Sexismus, Mobbing, Generationenkonflikt und Kommunikation diskutiert und bearbeitet. Durch die Begleitung von externen Expert:innen aus der Theaterpädagogik fanden die Mitarbeitenden einen gleichzeitig spielerischen und dennoch ernsthaften Zugang zu den häufig mit Konflikten behafteten Themen. Wie groß die Begeisterung war, zeigte ein Film, der den Tag dokumentierte. Von den Ergebnissen der Workshops werden aktuell Maßnahmen abgeleitet, wie Felizitas und Elisabeth berichten. Doch nicht nur intern zeigte der „Respekt!“-Aktionstag Wirkung: Collini wurde mit dem Diversitätspreis der Industriellenvereinigung in der Kategorie „ethnische Zugehörigkeit“ ausgezeichnet.

Zum Abschluss des Besuchs waren die Teilnehmenden eingeladen, einige der kleinen Übungen, die beim Respekt-Aktionstag zum Einsatz kamen, selbst auszuprobieren. Das Ergebnis: Der sehr informative und inspirierende Tag endete mit viel Gelächter und strahlenden Gesichtern.

GutePraxis Exkursion Collini

Die nächste GutePraxis-Exkursion kommt bestimmt

Die Vorbereitungen für die nächste GutePraxis-Exkursion laufen bereits auf Hochtouren. Im Herbst wird sich das Format mit einem ganz neuen Konzept präsentieren, das insbesondere für Mitarbeitende und Führungskräfte aus Betriebsräten und HR-Abteilungen noch attraktiver sein wird.

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Weitere Einblicke in vergangene Exkursionen und inspirierende Arbeitspraxis gibt’s in unserem Archiv:

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