Vorhandenes nutzen, Synergien schaffen, Zukunft gestalten – die Fabrik Klarenbrunn in Bludenz ist ein Paradebeispiel dafür, wie nachhaltiges Arbeiten gelingen kann. Bei der ersten Schaffarei-Exkursion Mitte März konnten sich die Teilnehmer:innen vor Ort ein Bild davon machen, wie diese „Gute Praxis“ in dem bemerkenswerten Zentrum für Nachhaltigkeit, Handwerk und Kreativität konkret aussieht.
Um Punkt zehn Uhr bog an diesem kühlen Freitag Vormittag der Bus mit den Teilnehmer:innen der Exkursion auf den Parkplatz der Fabrik Klarenbrunn ein.
Nach einer kurzen Begrüßung durch Inhaber und Geschäftsführer Christian Leidinger ging es dann auch gleich los, denn das Programm war sportlich: Von der Zirbenbett-Manufaktur „Die Køje“ über die sozialen Unternehmen der Caritas Vorarlberg, zur Keramikfliesenmanufaktur „KARAK“ bis zu „SANlight“, einem Hersteller von LED-Leuchten für den Indoor-Anbau von Pflanzen sollte die fünfstündige Exkursion führen.
Ein Blick in die Vergangenheit
Die Führung startete mit einem Blick in die Vergangenheit des Fabrikgebäudes aus dem späten 19. Jahrhundert. In kurzweiligen Geschichten erzählte Christian Leidinger davon, wie die ehemalige Spinnerei mit der markanten Backsteinfassade seinerzeit genutzt wurde, wie er zu dem Gebäude kam und warum ein über 130 Jahre altes Fabrikgebäude besser für die Zukunft gerüstet sein kann als ein Neubau.
An der Rückseite der Fabrik ließ er die Teilnehmer:innen einen Blick in den Heizraum werfen. Schon seinerzeit meist auf dem neuesten Stand der Technik wird heute das gesamte Gebäude mit einer Wärmepumpe und mit Briketts aus Tischlerei-Abfällen beheizt. „Circa eine Million Euro sind hier verbaut“, erzählte er. Nicht, weil er darauf besonders stolz wäre, sondern einfach „weil es sinnvoll war.“
Sonnenstrom von 588 Solarpaneelen auf dem Dach leistet einen weiteren Beitrag zur umweltfreundlichen Energieversorgung.
4-Tage-Woche in der Zirbenbett-Manufaktur „Die Køje“
Christian Leidingers Zirbenbett-Manufaktur „Die Køje“ war die nächste Station der Führung.
In den Räumlichkeiten der ehemaligen Putzerei und Mischerei der Fabrik werden heute astfreie Zirbenbetten und Möbel hergestellt – allerdings nicht an diesem Tag. Denn seit etwa zweieinhalb Jahren wird bei „Die Køje“ nur noch an vier Tagen pro Woche gearbeitet.
Der Mehrwert für die Mitarbeiter:innen liegt auf der Hand: mehr Freizeit, mehr Erholung. Und auch auf die Frage, ob das denn aus unternehmerischer Sicht tragbar sei, hatte Christian Leidinger eine klare Antwort: „Wer ein Unternehmen nicht in vier Tagen erfolgreich führen kann, schafft es auch in fünf Tagen nicht.“
Wer ein Unternehmen nicht in vier Tagen erfolgreich führen kann, schafft es auch in fünf Tagen nicht.
Christian Leidinger, „Die Køje“
Starthilfe in der „Startbahn“, bei „Gschickt&Gschwind“ und im „Carla Store“
Die nächste Station der „Gute Praxis“-Exkursion führte durch das im Originalzustand erhaltenen Stiegenhaus zurück ins Erdgeschoss – zu den sozialen Unternehmen der Caritas. Hier erhielten die Teilnehmer:innen von Birgit Petermann, der Leiterin des Jugendprojekts „Startbahn“, einen Einblick in die sozialen Unternehmen der Caritas. Während die Klient:innen Mittagspause machten, konnte ein Blick in die für Kund:innen des Carla Stores nicht zugänglichen Bereiche der „Startbahn“ und der „Gschickt&Gschwind“-Werkstätte für Menschen mit Beeinträchtigung geworfen werden.
Hier erfuhren die Teilnehmer:innen, aus welchen Gründen Menschen Begleitung für den (Wieder-)Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt brauchen können, wie die Unterstützung durch die Caritas aussehen kann und welche wichtige Rolle das Upcycling von gespendeten Möbeln und Textilien in diesem Prozess spielt.
Suppe, Kaffee und Vintage-Schätze
Anschließend gab es eine verdiente Mittagspause. In dem aus alten Fabriksfenstern mitten im offenen Carla Store errichteten Besprechungsraum konnten sich die Teilnehmer:innen der Exkursion bei einer heißen Suppe und bei Kuchen und Kaffee über das bisher Gesehene austauschen. So manche:r nutzte auch die Gelegenheit, im Carla Store nach Second-Hand-Schnäppchen oder Vintage-Schätzen zu stöbern.
An Bord bei KARAK
Frisch gestärkt ging es anschließend weiter zu KARAK. Die unkonventionelle Fliesenmanufaktur von Sebastian Rauch und Thomas Rösler, die sich selbst als Piraten und Schatzsucher verstehen, ist in der ehemaligen Schlosserei der Fabrik Klarenbrunn vor Anker gegangen. Hier entstehen in Handarbeit wahre Kunstwerke in Fliesenform, mit Liebe zu Farbe und Ornament und mit Respekt für dieses alte Handwerk.
Bei einer Demonstration des für KARAK-Fliesen charakteristischen schwarzfärbenden Raku-Brands ließen die langjährigen Crew-Mitglieder Michael Hodkewitsch und Dorota Tomala die Funken sprühen.
Anschließend konnte Michael einen guten Eindruck davon vermitteln, was es bedeutet, ein Teil von KARAK zu sein: Größtmögliche Flexibilität in den Arbeitszeiten sei für die Mitarbeitenden – übrigens allesamt Quereinsteiger:innen – genauso gegeben wie das Einbringen von eigenen Ideen gefragt sei, erzählte er.
Überhaupt gehe es bei KARAK sehr demokratisch zu. Und wenn jemandem einmal etwas nicht passt? „Als Piraten haben wir Meutereirecht“, lacht Michael. Ob das allerdings häufig zum Einsatz kommen muss, daran hatte wohl die meisten Teilnehmer:innen berechtigte Zweifel.
Als Piraten haben wir Meutereirecht.
KARAK-Mitarbeiter Michael Hodkewitsch
Hightech mit Start-up-Charakter bei SANlight
Die letzte Station des Tages schließlich lag im obersten Stock der Fabrik Klarenbrunn. Hier stellt SANlight LED-Leuchten für den Indoor-Anbau von Pflanzen her. COO Frederik Brust gab den Teilnehmer:innen einen Einblick in die Technik, mit der Gründer Martin Anker vor gut 10 Jahren den Indoor-Growing-Markt revolutionierte.
Heute beschäftigt das Unternehmen 34 Mitarbeiter:innen, mehr als die Hälfte davon Frauen, und erwirtschaftet einen Umsatz von 13 Millionen Euro. Das rasante Wachstum des Unternehmens habe eine komplette Neustrukturierung notwendig gemacht, erzählte Frederik Brust. Etliche neue Stellen in der Verwaltung konnten so geschaffen werden.
Trotz der hohen Auslastung versuche das Unternehmen dennoch möglichst gut auf die jeweiligen Lebensumstände der Mitarbeitenden einzugehen. Die Möglichkeit in Teilzeit zu arbeiten, sei eine davon. Flache Hierarchien im gesamten Unternehmen und hohe Investitionen in die Produktion, die nach wie vor zu 100 Prozent im Haus erfolge, seien zudem ausschlaggebend für die hervorragende Qualität – vom Produkt genauso wie von der Zusammenarbeit bei SANlight.
Nächste „Gute Praxis“-Exkursion am 24. Juni
Mit vielen neuen Eindrücken und Inspiration, wie nachhaltiges Arbeiten sowohl wirtschaftlich als auch zwischenmenschlich gelingen kann, ging es um 15 Uhr mit dem Bus zurück zur Schaffarei nach Feldkirch.
Die nächste „Gute Praxis“-Exkursion findet am 24. Juni statt. Wo genau es hingehen wird, erfahren Sie via Newsletter, auf Facebook oder Instagram.
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