Bianca Lugmayr gestaltet das Schaffarei Manifest neu

Künstlerin Bianca Lugmayr

40 Vordenker:innen dachten beim Schaffarei Festival 2019 zwei Tage lang über die Zukunft der Arbeit nach. Drei Jahre und eine Pandemie später hat das Schaffarei Manifest nichts von seiner Dringlichkeit verloren. Bianca Lugmayr bringt es anlässlich des Festival 2022 in eine neue Form. Wir haben mit der Textilkünstlerin über ihre Arbeit gesprochen.

Du hast Pharmazie und Textilkunst studiert, was für mich nach einer doch eher ungewöhnlichen Kombination klingt – wie kam es dazu?

Ich fand es immer faszinierend, wie Substanzen eine Wirkung auf den Körper haben, und wollte wissen, was da genau vor sich geht. Das Studium habe ich aus familiären Gründen abgebrochen. Durch Zufall habe ich ein Angebot von einem Pharmaunternehmen bekommen, und so bin ich doch noch in diese Branche gerutscht. Auf die Prüfung zur Pharmareferentin habe ich mich im Eigenstudium vorbereitet. Im Rückblick betrachtet, brauchte ich diese Erfahrung, um zu wissen, wer und was ich nicht bin im Leben. Ich bin sehr dankbar für alles, was ich in den 15 Jahren lernen durfte, wie unterschiedliche Strukturen in großen globalen Unternehmen funktionieren und vor allem, wie ich selbst in Kontakt mit Menschen reagiere und was wichtig ist für einen respektvollen Umgang.

 

Wie kam es zum Wechsel in die Kunst?

Gemalt habe ich immer nebenbei. Als ich jung war, wusste ich allerdings nicht, wer ich wirklich bin, beziehungsweise sein will. Es gab da immer ein zerissenes Gefühl in mir. Mit Ende zwanzig wurde der Wunsch, meine eigene Wahrheit zu leben, stärker. Vor etwa vier Jahren habe ich begonnen, als Künstlerin richtig zu „arbeiten“.

 

Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Bereichen?

Was den Job betrifft, auf jeden Fall. Wenn man davon leben will, geht es auch in der Kunst um Verkauf, um Bildung von Netzwerken, da konnte ich viel Erfahrung mitnehmen aus meinem vorherigen Job. Was der Kunst, zum Glück muss man sagen, fehlt, ist dieses Wecken von Bedürfnissen, die man anschließend mit einem Angebot befriedigt. Die menschlichen Bedürfnisse, die Kunst aufgreift und anspricht, sind immer da, weil sie echt sind.

 

Was bedeutet „Arbeit“ für die Künstlerin?

Es gibt für mich nichts Schöneres, als Dinge zu erschaffen und damit andere zu berühren. Das hat eine magische Dimension. Es geht auch um erlebte Selbstwirksamkeit. Etwas kreieren zu können, ist ein mächtiges Gefühl. Ich kann mir nicht vorstellen, einmal damit aufzuhören. Die Künstlerin, die das Leben genießt und mehr oder weniger faul in den Tag hineinlebt, ist ein Klischee. Künstlerin zu sein, ist ein erfüllender, aber harter Job.

 

Wie sieht ein typischer Arbeitstag für dich aus?

Die Tage sind bei mir nicht alle gleich, aber es gibt Routinen – aufstehen, die Kinder in die Schule bringen, Yoga, danach ein bis zwei Stunden im Büro arbeiten, Emails lesen und beantworten, Anträge für Subventionen schreiben und so weiter. Dann geht es ins Atelier, wo ich an meinen Werken arbeite. Es gibt nichts Schöneres, als mit den Händen zu arbeiten. Buchlektüre und Recherchen gehören auch dazu. Enorm wichtig ist der Austausch. Zum idealen Tag gehören für mich immer Menschen. Am Abend mache ich nochmals organisatorische Arbeit, lieber wäre mir natürlich weniger Zeit im Büro (lacht).

Bianca Lugmayr

Wie bist du an die Aufgabe herangegangen, das Schaffarei Manifest fürs Festival in eine neue Form zu bringen?

Das war recht schwierig, da schon vieles vorgegeben war und ich diese Art des Arbeitens als Künstlerin nicht kenne. Eine Anforderung ist zum Beispiel, dass die Texte gut lesbar sein müssen, da die Botschaften im Vordergrund stehen.

 

Was haben die Ziele des Manifests bei dir ausgelöst?

Das Bildungsziel des Manifests hat mich persönlich sehr angesprochen: „Wir schaffen ein Bildungsumfeld, das den Menschen von Geburt an bei der Entfaltung seiner Talente unterstützend begleitet.“ Von Geburt an… das finde ich sehr wichtig. Viele haben, wenn überhaupt, erst viel später die Möglichkeit, ihre Talente zu entfalten. Dabei ist Bildung die Grundlage fürs spätere Arbeitsleben!

 

Ein Anspruch deiner Arbeit ist die Befreiung von Perfektionismus. Warum müssen wir davon befreit werden?

Damit wir uns selbst nicht im Weg stehen, indem wir alles kontrollieren wollen. Man kann auch ohne Perfektion jeden Tag ein bisschen besser werden.

 

Was gewinnen wir, wenn wir den Wert von Fehlern erkennen?

Das Festhalten am Perfekten bewirkt genau das Gegenteil von dem, was wir uns wünschen. Unsere Versuche, alles zu kontrollieren, blockieren uns und machen uns am Ende unglücklich. Es ist besser, einen Fehler zu machen als Nichts zu machen. Das Unfertige lässt vieles offen, gerade deshalb ist es spannend.

 

Was würdest du als den größten Fehler in der Arbeitswelt bezeichnen, und was könnten wir daraus lernen?

Der größte Fehler ist für mich die Ausbeutung aller Ressourcen, natürliche und menschliche. Das wurde zwar schon oft gesagt, aber deshalb ist es ja nicht weniger richtig. Was das Lernen betrifft… ich würde mir wünschen, dass Menschen sich selbst und gegenseitig mehr wertschätzen.

Artikel teilen: