Daniela Egger: „Ich bin dem gefolgt, was mir Freude macht.“

Daniela Egger

Daniela Egger ist mit Fernweh zur Welt gekommen. Mit 15 verlässt sie ihre Heimat Hohenems zum ersten Mal in Richtung Wien. Von da an führt sie ihre Arbeitslebensreise geografisch rund um die Welt und inhaltlich zur Schriftstellerei, zum Theater und zur Aktion Demenz. Wie sich der Weg beim Gehen zeigt, wenn man lieber der Freude als der Vernunft folgt, davon hat Daniela Egger bei den ArbeitsLebensGeschichten in der Schaffarei im Gespräch mit Carmen Jurkovic-Burtscher erzählt.

Als Daniela die Möglichkeit bekommt, vom Gymnasium in Dornbirn auf die Modeschule in Hetzendorf zu wechseln, ist sie froh, das klassische Schulsystem hinter sich lassen zu können. Statt auf Mathe und Latein kann sie sich dort auf das konzentrieren, was ihr liegt: zu entwerfen. Die Freiheit, die sie in der Ausbildung und in der Stadt erlebt, lässt Daniela aufblühen. Die Modeschule schließt sie erfolgreich ab, ein Jobangebot von einem Designer in Paris lehnt sie jedoch ab – die Reiselust hat Vorrang. Die nächsten Jahre ist Daniela in vielen Ländern unterwegs, teils für mehrere Monate. Auf ihren Reisen entdeckt sie nicht nur die weltweit tätigen Goethe Institute mit ihren deutschsprachigen Bibliotheken für sich, auch ihr Interesse für Literatur erwacht. Um zwischendurch Geld zu verdienen, kehrt Daniela immer wieder nach Vorarlberg zurück, näht und tut das, was ihr an der Mode wirklich Spaß macht: Sie kreiert eigene Designs, schneidert für Freund:innen und Bekannte und veranstaltet im kleinen Rahmen auch Modenschauen. Ihr Plan: Sie möchte noch eine Zeitlang diese Freiheit genießen und dann irgendwann „zur Vernunft kommen“ und sich niederlassen. Doch es kommt ganz anders.

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Ready for Take-Off

Die Reise nimmt eine völlig unerwartete Wendung, als eine Freundin sich bei der Lufthansa bewerben möchte und Daniela bittet, mit ihr gemeinsam die Aufnahmeprüfung zu machen. Daniela wird prompt in das Flight-Attendant-Programm aufgenommen. Auch diese Ausbildung schließt sie erfolgreich ab. Da der Golfkrieg gerade für eine Krise in der Flugbranche sorgt, gibt es bei der Airline keinen Job für sie. Doch bei einem Ausbildungsflug öffnet sich eine andere Tür – etwas, das noch öfter passieren sollte. „Ich hatte in entscheidenden Momenten manchmal einfach unglaubliches Glück“, sagt Daniela rückblickend. Denn in einer Bar in Tokio kommt sie mit einer Frau ins Gespräch, die für ein Unternehmen arbeitet, das für Privatjet-Besitzer Wartungsarbeiten durchführt und die Crew stellt – und gerade auf der Suche nach Flugbegleiter:innen ist. Wenig später ist Daniela Crewmitglied auf einem Privatjet von Sheik Yamani.

„Ich hatte in entscheidenden Momenten manchmal einfach unglaubliches Glück.“

Dieser Job katapultiert die junge Frau ins Jetset-Leben: Aufenthalte in Spitzenhotels in aller Welt, ein sehr gutes Gehalt und viel Freizeit an den jeweiligen Zielorten gehören nun zu ihrem Alltag. Und weil ihr ständig shoppen zu gehen bald zu langweilig wird, verbringt Daniela viel Zeit in Museen und beginnt zu schreiben.

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Doch der Job hat auch seine Schattenseiten. Das Flugzeug wird oft verchartert, unter anderem an Mobutu, den zu der Zeit diktatorisch regierenden Präsidenten der demokratischen Republik Kongo. Das bringt Daniela mehr als einmal in sehr bedrohliche Situationen. Ihre Erlebnisse aus dieser Zeit wird sie später in einem Buch zusammenfassen, das unter dem Titel „Der Steward hätte die Tür nicht öffnen dürfen“ erscheinen wird. Fünf Jahre macht sie diesen Job zwischen Luxus und Lebensgefahr, bevor sie sich entschließt, zu kündigen.

Yià sou Einsamkeit

Die Privatfliegerei lässt nicht viel Raum für Privatleben. Nach der Trennung von ihrem damaligen Partner beschließt Daniela, die Wintermonate alleine auf einer griechischen Insel zu verbringen. „Ich wollte herausfinden, ob ich das kann: alleine sein und schreiben“, erzählt sie. Die Zeit auf der Insel hilft ihr, sich neu zu ordnen und nicht nur zu sich selbst, sondern auch zu ihrer eigenen Sprache zu finden. Daniela schreibt ein Hörspiel und schickt es an einen Bekannten beim ORF. Der will es prompt produzieren – und damit geht erneut eine Tür auf.

„Ich wollte herausfinden, ob ich das kann: alleine sein und schreiben.“

Nächster Halt: Vorarlberg

Einige Zeit und einen Aufenthalt in Wien später zieht es Daniela Egger zurück nach Vorarlberg. Auch beruflich orientiert sie sich wieder ein Stück weit neu – sie beginnt als Texterin in der Werbeabteilung eines größeren Unternehmens in Liechtenstein. Das Gehalt stimmt, die Arbeit macht Spaß und auch die Kolleg:innen sind nett, trotzdem merkt Daniela schnell: Das ist nicht ihre Welt. Viel stärker zieht es sie zum literarischen Schreiben hin. Also bewirbt sie sich bei der Drehbuchwerkstatt an der Hochschule für Film und Fernsehen in München. Dort lernt Daniela ein Handwerk, von dem sie sehr vieles sowohl in der Literatur als auch im Theater anwenden kann. Um ihrem Traum zu folgen, kündigt sie und arbeitet neben der Ausbildung auf selbstständiger Basis. Was im Nachhinein hauptsächlich mutig klingt, ist sehr wohl auch mit vielen Unsicherheiten und Ängsten verbunden.

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Schreiben für Buch und Bühne

In den nächsten Jahren entstehen mehrere literarische Werke. Gemeinsam mit Kurt Bracharz, Ulrich Gabriel und Wolfgang Mörth gründet Daniela Egger zudem die Literaturzeitschrift „Miromente“ und zusammen mit Wolfgang Mörth und Frauke Kuhn den Verein „literatur:vorarlberg netzwerk“. Bereits vor mehr als 10 Jahren kommt dort die Idee für ein Literaturhaus in Vorarlberg auf. Zunächst entstehen zwar zahlreiche Projekte, aber keine vier Wände. Das wird sich ab Frühjahr 2025 ändern, denn dann hat das Literaturhaus eine ganz konkrete – und sehr imposante – Adresse, nämlich jene der denkmalgeschützten Villa Franziska und Iwan Rosenthal in Hohenems, die derzeit generalsaniert wird.

Neben der Literatur widmet sich Daniela immer häufiger dem Theater. Es entstehen diverse Stücke, unter anderem Auftragsarbeiten für das Vorarlberger Landestheater. Auch in der Schaffarei sind Stücke von Daniela Egger zu sehen. Im Format Mut/Wutausbruch“ widmet sich die Schriftstellerin und Bühnenautorin gesellschaftlich relevanten Themen der Arbeitskultur.

Kunst und Kultur von und für Menschen mit Demenz

Eine weitere Tür in einen gänzlich unerwarteten Arbeitslebensraum stößt ein Bekannter im Jahr 2012 auf, indem er Daniela auf eine Stelle als Projektleiterin bei der Aktion Demenz aufmerksam macht. Die Aufgabe besteht darin, Menschen über Kunst und Kultur für das Thema Demenz zu sensibilisieren. Dieser Zugang interessiert Daniela sehr. Unter der Bedingung, die Stelle mit einer 50-Prozent-Anstellung antreten zu können, sagt sie zu – und ist bis heute mit Freude dabei.

Wertschätzung für das Gesamtbild

Projekte gibt es also viele, an denen Daniela teils seit Jahren aktiv beteiligt ist. Für ihr Schaffen auf so vielen Ebenen erhält sie den Kunst- und Kulturpreis 2024. Die Jury begründet ihre Entscheidung unter anderem damit, dass Daniela Egger mit ihrer Arbeit Menschen verbinde, ihre Ressourcen aufzeige und sie ermutige – und gleichzeitig auf Versäumnisse der Gesellschaft hinweise. Für sie sei das eine sehr schöne Wertschätzung für das Gesamtbild, das durch ihre Arbeit an vielen kleinen Projekte entstünde, sagt sie.

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Ein Blick nach vorne

Bei all den größeren und den vielen kleinen Projekten, bleibt da überhaupt noch Zeit für Fernweh? „Das Preisgeld wird in Freizeit umgemünzt“, berichtet Daniela schmunzelnd – und für sie ist das gleichbedeutend mit Reisen. Ganz ohne Arbeit geht es aber auch dort nicht. „Ich habe mir als erstes eine Schreibauszeit in Frankreich genommen.“ Was braucht so ein Ort, an dem Daniela Egger sich erholen und schreiben kann? „Für mich ist es ideal, wenn ich aufs Meer oder einfach in die Weite schauen kann.“ Ganz weg aus Vorarlberg möchte sie zwar nicht mehr, aber so ein zweites Zuhause am Meer, davon träumt die Schriftstellerin, Bühnenautorin und Kulturschaffende sehr wohl ab und an. „Ein Zimmer, ein Balkon, ein Blick, mehr brauche ich nicht“, sagt sie – und es wäre nur konsequent, wenn sich auch dahin zu gegebener Zeit eine Tür öffnen würde.

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