Carola Fessler hat ihren Traumjob über einige Umwege gefunden. Welche Abzweigungen sie genommen hat, worüber sie dabei gestolpert ist und ob sie einen ihrer Umwege bereut hat, hat sie bei den ArbeitsLebensGeschichten mit Carmen Jurkovic-Burtscher erzählt.
Als Kind will Carola Kindergärtnerin werden. Nach der Hauptschule jedoch ist der erste Berufswunsch schon nicht mehr ganz so dringend. Also steht sie vor der Entscheidung: Soll sie die HAK, das Gymnasium oder doch die BAKIP besuchen? Carola entscheidet sich für Letzteres. Nicht so sehr wegen der Ausbildung an sich, sondern weil sie sich in der Schule am wohlsten fühlt.
„Ich bin ein voller Bauchmensch.“, sagt Carola. Schon bald merkt sich jedoch, dass sie den Job nicht wird machen wollen. „Egal, wie ich etwas gemacht habe: Meinen Lehrerinnen hat es nie gepasst.“
Nach dem dritten Ausbildungsjahr zieht sie sogar einen Wechsel ins Borg in Betracht. Ein Gedanke, den sie aber gleich wieder verwirft. „Dafür hätte ich über den Sommer zwei Sprachen nachlernen müssen und hätte am Ende keine Berufsausbildung gehabt“, sagt sie rückblickend. Also „zieht sie die BAKIP durch“.
Nach der Matura begleitet Carola ihren Großvater in seinen letzten Lebensmonaten. Im nächsten Herbst geht sie dann nach Graz, um Geografie zu studieren. „Nach zwei Monaten und der schlimmsten Mathe-Prüfung meines Lebens war ich wieder zuhause.“
Dann eben doch in den Kindergarten
Weil Carola noch immer nicht weiß, was sie stattdessen machen soll, fängt sie doch im Kindergarten an. Die ersten eineinhalb Jahre arbeitet sie als Springerin.
Die Arbeit mit den Kindern sei super gewesen, sagt sie heute. Doch der enorme bürokratische Aufwand hätte ihr den Spaß an diesem Job endgültig verdorben. Carola hat das Gefühl, dass die Kinder in dem System mit all seinen vorgegebenen Plänen völlig untergehen.
Ob es einfacher wäre, mit Kindern einzeln zu arbeiten? Diese Möglichkeit zieht Carola in Betracht. Sie kündigt im Kindergarten und macht Zusatzausbildungen zur Legasthenie-und Dyskalkulietrainerin sowie zur Grafomotorik-Trainerin. Dazwischen geht sie auf Reisen. Erst nach Irland, Portugal und Australien, später nach Indonesien, Malaysia, Vietnam und Kambodscha.
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Mehr InformationenEin neues Kapitel im Buchhandel
Zurück zu Hause kommt Carola mit Freunden ins Gespräch. „Ein Freund von mir hat gesagt: „Ich könnte mir dich voll gut in einer Bücherei vorstellen.“ Der Gedanke gefällt ihr. Sie liebt Bücher und kennt das Metier von ihrer Mutter, die damals als Bibliothekarin gearbeitet hat.
Als eine Buchhandlung in der Nähe einen Lehrling sucht, bewirbt Carola sich und beginnt eine Ausbildung in Buch- und Medienwirtschaft. An sich ein cooler Job, meint sie – wenn da nicht so viele Menschen im Spiel wären: „Ich habe mich oft zwischen den Kundenwünschen und den Anweisungen aus der Geschäftsleitung aufgerieben gefühlt. Damit kann ich ganz schlecht umgehen.“
Die Stimmung sei auch generell nicht so gut gewesen im Unternehmen, viele Kolleg:innen hätten kurz hintereinander gekündigt. 2020 macht Carola ihren Lehrabschluss – und bleibt noch zwei Jahre. „Ich wollte meine jüngeren Kolleg:innen nicht hängen lassen.“ Doch auch in diesem Job sieht die inzwischen 28-Jährige keine Zukunft für sich.
Vielleicht doch ein Handwerk?
Carola wird klar: So kommt sie nicht weiter. Dienstleistung, das ist einfach nichts für sie. Doch einen handwerklichen Beruf hat sie bisher nie ernsthaft in Betracht gezogen, obwohl ihr die Arbeit mit den Händen schon immer großen Spaß gemacht hat.
„Mein Vater hat bei uns daheim alles selbst gemacht. Ich habe ihm sehr oft und sehr gerne geholfen“, sagt sie. Besonders die Arbeit mit Holz liegt ihr. Aber Tischlerin werden? „Ich dachte lange Zeit, ich wäre zu klein und zu schwach für eine Tischlerlehre“, sagt Carola.
„Ich dachte lange Zeit, ich wäre zu klein und zu schwach für eine Tischlerlehre.“
Carola Fessler
Dieses Mal ist es die Partnerin des besagten Freundes, die sie ermutigt. Sie kenne da eine tolle Tischlerei, die einen Lehrling suchen würde. Das könnte etwas für Carola sein. Und tatsächlich: Nach einem Blick auf die Website bewirbt sie sich und wird schon eine Woche später zum Schnuppern eingeladen.
Heute ist Carola im zweiten Lehrjahr. In dem fünfköpfigen Team fühlt sie sich nach wie vor sehr wohl, auch das Handwerk zu lernen, macht ihr viel Spaß. „Das ist genau das, was ich brauche“, sagt sie, „ein überschaubares Team, in dem alle an einem Strang ziehen und eine ganz klare Aufgabe, auf die ich mich konzentrieren kann.“
Dass sie mit ihren inzwischen 29 Jahren älter als die meisten Lehrlinge ist, sieht Carola nicht als Nachteil: Sie fühle sich nach all ihren Erfahrungen erst so richtig bereit für diesen Beruf. „Ich lerne jetzt ein Handwerk, das mich sehr interessiert“, sagt sie.
Dass bei ihrem Arbeitgeber ausschließlich mit Vollholz, nach ökologischen Grundsätzen und mit nur wenigen Maschinen gearbeitet wird, kommt der jungen Frau dabei sehr zugute. Und wie ist es mit der Größe und der Kraft? „Es ist schon eine Schlepperei. Aber man wächst mit seinen Aufgaben“, lacht sie. Außerdem sei ergonomisches Arbeiten im Betrieb besonders wichtig.
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Mehr InformationenDa Carola Matura hat, ist ihre Lehrzeit auf zwei Jahre verkürzt. Die Kosten für ihre Lehre werden vom AMS mitgetragen. Hier gibt es spezielle Förderangebote für die Ausbildung von Frauen in technischen Berufen. Dadurch erhält Carola über die gesamte Lehrzeit eine etwas höhere Entschädigung. „Ohne die Unterstützung meiner Mutter würde es vermutlich trotzdem nicht gehen“, sagt sie. Doch sie ist zufrieden, so wie es jetzt ist.
„Ich habe alles, was ich brauche.“ Auch hinter der Entscheidung, mit ihrer Tischlerlehre die inzwischen dritte Ausbildung in Folge zu absolvieren, steht Carola zu hundert Prozent. „Wenn man spürt, dass man etwas machen will, dann sollte man es machen. Sonst sagt man sich ein Leben lang: Hätte ich es doch getan.“
„Wenn man spürt, dass man etwas machen will, dann sollte man es machen. Sonst sagt man sich ein Leben lang: Hätte ich es doch getan.“
Carola Fessler
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