Im Inneren von Turbinen, auf verschneiten Gipfeln, in riesigen Werkshallen, in virtuellen Studios oder auf der grünen Wiese … Samuels Nussbaumers Arbeitsplatz ist dort, wo es etwas zu sehen gibt. Doch das war nicht immer so. Wie der 29-Jährige vom Kunststofftechniker zum Kameramann wurde, hat Samuel Nussbaumer bei den ArbeitsLebensGeschichten mit Carmen Jurkovic-Burtscher erzählt.
Wer Kameramann oder Kamerafrau sein möchte, braucht mehr als ein gutes Auge und eine ruhige Hand. „Man muss auch spontan und anpassungsfähig sein, denn in dem Job ist kein Tag wie der andere“, sagt Samuel. Für ihn ist das genau richtig, denn Eintönigkeit hatte Samuel in seinem Arbeitsleben für seinen Geschmack genug.
Hauptsache irgendwas Technisches
Weil Samuel sich so gar nicht fürs Lernen begeistern kann, entscheidet er sich nach der Pflichtschule für eine Lehrausbildung. Etwas Technisches sollte es sein, etwas, bei dem man Neues ausprobieren und auch ein bisschen herumtüfteln kann. Er schnuppert in vielen verschiedenen Lehrberufen und entscheidet sich schließlich für eine Lehre zum Kunststofftechniker. Seine Ausbildung absolviert er in drei verschiedenen Abteilungen: 3D-Druck, Spritzguss und Vakuumguss für Kleinserien und Prototypen unterschiedlichster Produkte aus Kunststoff.
Ohne Schule geht’s nicht
Doch auch als Lehrling bleibt ihm die Schule nicht erspart. Einmal pro Lehrjahr drückt Samuel in Steyr die Berufsschulbank – für jeweils zehn Wochen. „Die ersten beiden Jahre waren richtig zäh“, erinnert er sich – er ist Praktiker und muss die Dinge selbst tun, um wirklich zu verstehen, wie etwas funktioniert. Das klappt auch. Denn trotz aller Anfangsschwierigkeiten schließt Samuel die Berufsschule mit Auszeichnung ab.
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Mehr InformationenNach dem Lehrabschluss entscheidet Samuel sich, vorerst im 3D-Druck zu bleiben, weil ihn das technisch am meisten begeistert. Als dort jemand kündigt, muss er dessen Job übernehmen – übergangsweise, wie es zunächst heißt. Als jedoch keine dauerhafte Nachfolge in Sicht kommt, bleibt die eintönige Aufgabe an ihm hängen, bis er neun Monate später den Zivildienst antritt. Eine demotivierende Situation für den jungen Kunststofftechniker, der sich seinen Einstieg ins reguläre Berufsleben ganz anders vorgestellt hatte.
Learning bei Shooting
Seinen Zivildienst absolviert Samuel im Landeszentrum für Hörgeschädigte in Dornbirn. In erster Linie unterstützt er dort den Hausmeister, hilft aber auch im Kindergarten und in der Schule aus. „Das war ziemlich cool“, sagt Samuel. Nicht nur, weil der Job mal ganz etwas anderes ist, sondern auch, weil er dort Gelegenheit bekommt, sein Hobby zu vertiefen. Denn seit einiger Zeit hat Samuel das Fotografieren für sich entdeckt. In seinem Zivildienst bekommt er die Gelegenheit, erste Fotos für Broschüren und andere Werbemittel des Zentralverbands zu machen und Samuel merkt: Das taugt ihm. Doch wäre es auch eine gute Idee, sein Hobby zum Beruf zu machen? Darüber ist er sich zu der Zeit noch nicht so ganz im Klaren. Also kehrt er nach dem Zivildienst zurück zu seinem Arbeitgeber, wechselt aber vom 3D-Druck in den Spritzguss. Doch dort wird im Schichtbetrieb gearbeitet und das ist gar nicht seins. Auch die Kunststoffdämpfe machen ihm zu schaffen, mindestens einmal in der Woche kommt er mit Kopfschmerzen nach Hause. Am meisten jedoch stört ihn, dass er das Gefühl hat, nicht mehr viel Neues dazulernen zu können. Er weiß: Das wird nicht der Job sein, den er bis zum Ruhestand machen wird. Als sein Kumpel Julian ihm eines Tages eröffnet, dass er gekündigt hat und für zwei Monate zum Bergsteigen nach Equador gehen will, trifft Samuel die Entscheidung, dass „irgendwann“ wohl jetzt ist. Also kündigt er zum Jahresende 2018 ebenfalls und macht sich Anfang 2019 mit Julian auf den Weg. Insgesamt sechs Monate sind die beiden Freunde unterwegs. Sie reisen zunächst nach Kanada, dann nach Neuseeland und Australien und schließlich durch Europa.
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Mehr InformationenProbieren statt studieren
Den Gedanken, es nach seinen Reisen als Fotograf oder Videograf zu probieren, hat Samuel schon im Gepäck. Doch spezielle praktische Ausbildung für Kameraleute gibt es keine. Wer nicht studieren möchte, kann entweder eine Lehre zur Medienfachperson oder zum/zur Berufsfotograf:in absolvieren. Für Samuel ist klar: Er will in Vorarlberg bleiben. Also schaut er sich hier nach einem Job oder einer Lehrstelle in einer Branche um, die im Land nicht gerade groß ist.
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Mehr InformationenViele seiner Bewerbungen verlaufen im Sand. Doch eine Filmproduktion lädt ihn zu einem Vorstellungsgespräch ein: Frl. Müller & Söhne in Dornbirn. Seine Bewerbungsvideos, allesamt Aufnahmen von seinen Reisen, jedoch kommen nicht so gut an. Er gibt Samuel die Aufgabe mit, ein Video zu produzieren, das nichts mit Urlaub und Landschaft zu tun habe. Dieser nimmt die Challenge an. Drei Tage später schickt er ein neues Video – und bekommt damit einen Praktikumsplatz. Aus dem Praktikum wird eine Lehre zum Medienfachmann. Vermutlich wäre das auch reibungslos gelaufen, wenn nicht die Pandemie das ganze System zum Erliegen gebracht hätte. Während in den ersten Wochen alle Drehs abgesagt werden, beginnt die Berufsschule in Salzburg zuhause vor dem Bildschirm. Doch wenig später beginnt sich im Unternehmen eine aufgestaute Welle an Arbeit zu lösen. Samuel möchte lieber praktische Erfahrung sammeln, als im Homeschooling zu sitzen. Das Problem: Im Lehrberuf Medienfachmann/-frau sind von Grafik über Print Publishing und audiovisuelle Medien so ziemlich alle Bereiche zusammengefasst, die es in der Medienbrache gibt. Dadurch müsste auch Samuel eine Menge Dinge lernen, die er niemals brauchen wird. Nach einigem Hin und Her beschließt er deshalb gemeinsam mit seinem Arbeitgeber, die Lehre vorerst abzubrechen. „Ich hatte zwei Möglichkeiten: Will ich lernen, wie man Druckfarben mischt oder will ich hinter der Kamera stehen? Da musste ich nicht lange überlegen“, begründet Samuel seine Entscheidung.
Doch noch ein Lehrabschluss
So arbeitet er also die nächsten drei Jahre ohne abgeschlossene Ausbildung, sammelt dafür aber jede Menge Erfahrung. Und statt, wie ursprünglich geplant, danach die Lehre zum Medienfachmann von vorne zu beginnen – das wäre inzwischen auch in Vorarlberg möglich – hat er eine andere Idee. Er entscheidet sich, eine „Ausnahmsweise Zulassung zur Lehrabschlussprüfung“ als Berufsfotograf zu beantragen. Dafür muss Samuel den gesamte Stoff der dreijährigen Ausbildung in Eigenregie lernen und dann zur Prüfung antreten. Eine Mammutaufgabe, die er, nicht zuletzt dank seiner praktischen Erfahrung, bewältigt. Inzwischen hat Samuel also auch eine abgeschlossene Ausbildung zum Berufsfotografen in der Tasche. „Die Lehre zum Berufsfotografen wäre wahrscheinlich von vornherein sinnvoller gewesen“, sagt Samuel rückblickend.
Die Lehre zum Berufsfotografen wäre wahrscheinlich von vornherein sinnvoller gewesen.
Samuel Nussbaumer
Kein Tag ist wie der andere
Und wie sieht nun sein Alltag als Kameramann aus? „In dem Job ist kein Tag wie der andere“, sagt er. Jeder Auftrag habe andere Anforderungen und jeder Dreh sei anders. Derzeit dreht er viel vor Ort bei großen Unternehmen im Bodenseeraum, aber auch in einem neuen virtuellen Produktionsstudio in Dornbirn. Parallel dazu baut er gerade ein selbstständiges Standbein als Hochzeitsfotograf auf.
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Mehr InformationenSamuels ArbeitsLebensGeschichte hat noch einige bislang ungeschriebene Kapitel. Ob seine Rolle darin auch in zehn oder zwanzig Jahren noch hinter der Kamera oder ganz woanders spielen wird, das lässt der 29-Jährige auf sich zukommen. „Ich habe vor, noch länger in der Branche zu bleiben, weil mein Job mir Spaß macht. Es kann aber auch sein, dass ich irgendwann etwas ganz anderes anfange – es gibt zu viel da draußen, was mich interessiert, um mich da jetzt schon festzulegen.“
Ich habe vor, noch länger in der Branche zu bleiben, weil mein Job mir Spaß macht. Es kann aber auch sein, dass ich irgendwann etwas ganz anderes anfange – es gibt zu viel da draußen, was mich interessiert, um mich da jetzt schon festzulegen.
Samuel Nussbaumer