Das neue Stück von Café Fuerte beschäftigt sich mit Arbeit: Vier-Tage-Woche, Fachkräftemangel, Burnout, große Streiks und The Great Resignation. Aber warum müssen wir immerzu arbeiten? Tobias Fend, Autor von „Sonntag“, erzählt im Interview mehr über das Theaterstück.
Im Stück „Sonn–
tag“ wollen die Protago–
nist:innen wie jeden Morgen
zur Arbeit, als sie feststellen,
dass ja Sonntag ist – und sie
fragen sich nun, was sie statt–
dessen tun sollen. Haben wir
vor lauter Arbeitsmoral das
Pause machen verlernt?
Im Stück „Sonntag“ wollen die Protagonist:innen wie jeden Morgen zur Arbeit, als sie feststellen, dass ja Sonntag ist – und sie fragen sich nun, was sie stattdessen tun sollen. Haben wir vor lauter Arbeitsmoral das Pause machen verlernt?
Ich glaube, dass Pause machen wirklich schwer ist, ich selber tu mir auch schwer. Man könnte ja immer noch mehr machen, ein noch besseres Stück schreiben, noch mehr recherchieren, noch mehr proben, noch mehr Werbung machen, noch ein besseres Interview geben. Wann ist genug? Wann darf ich Pause machen? Erst wenn ich genug geleistet habe? Muss ich mir das verdienen? Da geht es auch um Selbstwert, um den Wert des Menschen an sich. Ein Mensch ist voll und ganz Mensch, auch wenn er nichts leistet. Das geht in der öffentlichen Diskussion oft verloren. Gerade in der Diskussion um Sozialhilfebezieher:innen oder Asylsuchende sieht man, wie tief es bei uns verwurzelt ist, dass der Mensch immer leisten muss. Wer arbeitet hat Rechte, das stimmt, aber wer nicht arbeitet, hat auch Rechte. Das darf man nicht vergessen. Immer geht es nur darum wer weniger arbeitet, wer faul ist.
Mir wird erst jetzt bewußt, dass es eine Hilfe sein kann, wenn die Religion, die Kirche, das Arbeiten am Sonntag verbietet. Dann muss man einfach Pause machen, weil es so ist und am Montag gehts weiter. Mein Opa hat mich mal empört angeschnauzt als ich als Kind am Sonntag im Garten ein Loch gegraben habe. Für mich wars ein Spiel, ich hab nicht verstanden, wieso er sich so aufregt, aber für ihn war es wohl Arbeit, Heute hat die Kirche ohnehin ihren Einfluss verloren und der Sonntag somit auch seine Bedeutung. Wir müssen uns also freiwillig dran halten, oder eigene Regeln schaffen, wenn wir nicht vor lauter Arbeit drauf gehen wollen.
Ich glaube an die Kraft der Pause, manchmal muss man einfach eine Pause machen und dann klappt es plötzlich, wo man vorher ewig dran rumgemurkst hat. Das stimmt natürlich nicht für jede Arbeit gleich, aber manchmal muss man stehen bleiben, auf die Arbeit schauen, und erkennt vieles.
Es scheint, als wüssten viele gar nicht mehr, wie man wirklich nichts tut und stattdessen auch noch ihre Freizeit mit Arbeiten füllen – mit Rasenmähen zum Beispiel. Woher kommt das?
Rasen mähen ist ein tolles Beispiel. Ein gemähter Rasen zeigt, dass man fleißig ist, das man alles im Griff hat. Ein ungemähter Rasen wirkt ungepflegt, Das heißt, man macht die Arbeit, damit man nicht faul wirkt. Für die Artenvielfalt, für die Insekten wäre es super, wäre man fauler.. Mich springt auch überall im Haus die Arbeit an, immer will ich noch schnell was erledigen, putzen, reparieren etc, die Kinder können das schon nicht mehr hören. Es wäre aber auch wichtige Arbeit mit den Nachbarn zu reden, mit den Kindern zu spielen, sich zu kümmern, mehr um Menschen als um Sachen. Wenn ich zu Hause alles in Ordnung habe, habe ich das Gefühl, ich habe auch mich im Griff. Aber beim Nichtstun wird man auf sich selbst zurück geworfen. Man muss sich mit sich auseinandersetzen, da kommt alles hoch. Manchmal ist es einfacher einfach weiter zu machen. Vielleicht ist es auch tief in uns drinnen, unsere Vorfahren mussten ja unentwegt arbeiten um zu überleben. Die Umstände haben sich geändert, aber wir arbeiten immer noch um unser Leben. Da ändern sich aber gerade bei den jungen Leuten ganz viel.
Wie findet man die passende Balance zwischen Arbeit und Freizeit?
Keine Ahnung. Vielleicht spürt man das eigentlich schon, wenn man ehrlich ist. Ein Zeichen könnte sein, wenn man nur noch an die Arbeit denkt und alles andere an Bedeutung verliert, dann ist es zu viel. Wenn man es nicht mehr schafft, sich auf Anderes einzulassen, keine anderen Freuden mehr hat, die Schönheit des Tages nicht mehrt sieht, nur noch die Arbeit, dann muss man eine Pause machen.
Diese Balance ist natürlich von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Sollten Firmen in dieser Hinsicht also flexibel sein?
Jeder Mensch hat einen anderen Arbeitsrhythmus, je mehr dem entgegenkommen kann, desto besser arbeiten die Menschen. Klingt für mich logisch. Ist wahrscheinlich je nach Firma oder Branche aber kompliziert in der Umsetzung.
Teilzeit und Vier-Tage-Woche (bei vollem Lohnausgleich) sind gerade die Themen der Stunde. Ist das in deinen Augen eine Lösung?
Das wird wohl sehr auf die Branche drauf ankommen. Ich glaube, dass Menschen, wenn sie nicht ihre ganze Zeit und Kraft in die Erwerbsarbeit in investieren müssen, viele wichtige Dinge tun, die auch Arbeit sind. Das haben viele Studien gezeigt. Sie engagieren sich, helfen, entwickeln Dinge. Da wird so viel Potential frei. Da gehts letztendlich um eine Kapitalismuskritik. Es geht dem Menschen eben nicht nur um Geld und Konsum. Man muss die Leute nicht zum Arbeiten zwingen, es gibt immer Ausnahmen, aber die allermeisten wollen etwas mit ihrem Leben machen. Das glaube ich fest.
Aber bisher machen das nur einige Firmen ihren Mitarbeiter:innen möglich. Muss da mehr passieren? Gerade in Hinblick auf den Mitarbeiter:innenmangel, der ja überall herrscht?
Ja das finde ich schon. Frauen und Männer müssen Teilzeit arbeiten können, um sich wirklich Familie und Beruf zu teilen. Das ist ja ganz klar.
Was können sich die Zuschauer:innen vom Stück „Sonntag“ erwarten? Wie werden all diese Themen dort aufgegriffen und behandelt?
Wir malen mit den sieben Bildern ein möglichst großes Bild. Wir zeigen ganz verschiedenen Situationen und Menschen. Das macht den Abend auch reich. Man sieht verschieden Darstellungsformen, Verwandlungen, Bilder. Wir lösen das wie immer mit wenig Technik und viel Einsatz der Darsteller:innen. Obwohl wir viele sehr tragische Dinge zeigen, hat das Stück einen sehr heiteren Unterton. Es gibt viele komödiantische Szenen.
Wir geben keine Antworten, wir sind ja Theaterleute und keine Arbeitsexperten, sondern wir versuchen möglichst viele Fragen aufzuwerfen. Toll wäre es schon, wenn das Stück die Leute erschüttert, wenn sie etwas anders sehen, hinterfragen, neu bewerten.
Und zuletzt: Wie sieht für dich der perfekte Sonntag aus?
Tolle Menschen, Natur, Bewegung, vielleicht Pizza. Es kann auch eine gelungene Café Fuerte Vorstellung dabei sein. Ich habe das Glück, dass ich meine Arbeit liebe.