Am 23. und 24. November fand die bereits dritte Schaffarei Konferenz an der AK Vorarlberg statt. Rund 40 Referent:innen diskutierten aktuelle Fragen zur Zukunft der Arbeit, darunter auch Speaker Fabian Stephany von der Oxford University. Im Interview erklärt er, wie Künstliche Intelligenz die Arbeitswelt revolutioniert – und warum man keine Angst davor haben muss.
Sie forschen zu „Skills“ in Zeiten technologischer Umwälzungen. Was versteht man unter diesen „Skills“?
Ich unterscheide zwei verschiedene Arten von Skills. Zum einen ganz allgemeine Kompetenzen. Diese zu haben, ist auf dem Arbeitsmarkt natürlich immer wertvoll. Bestimmte Kompetenzen bringen einem mehr Gehalt. Das sehen wir in unserer Forschung.
Die zweite Gruppe sind die digitalen Kompetenzen und dabei ganz besonders Kompetenzen, die sich mit Künstlicher Intelligenz beschäftigen. Das kann aber auch schon einfach nur das Bedienen der KI sein, es muss nicht gleich das Programmieren sein. Zum Beispiel Werkzeuge wie ChatGPT in den Arbeitsalltag einbauen zu können.
Da sehen wir jetzt schon ganz klar anhand der Datenlagen, dass Menschen, die das umsetzen können, deutlich mehr verdienen und mehr Benefits haben. Am wichtigsten ist für mich deshalb die Kompetenz, sich diese Kompetenzen aneignen zu können. Wir müssen lernen, zu lernen.
Was ist Ihr Ausblick auf das Thema? Wie wird sich die Künstliche Intelligenz vor allem im Zusammenhang mit der Arbeitswelt noch entwickeln?
Kompetenzen werden zunehmend an Bedeutung gewinnen. Normalerweise sagt man ja: Bildung ist wichtig, vor allem für das Gehalt. Das sehen wir auch ganz klar in den Daten – je höher der Bildungsabschluss, desto höher das Gehalt.
Interessanterweise sehen wir aber, dass das für bestimmte Bereiche nicht gilt. Für einige Berufe, die KI verwenden, ist dieser Zusammenhang komplett verschwunden. Da ist das Gehalt hoch, auch wenn es der Bildungsabschluss nicht ist.
Wir erklären uns das damit, dass die Knappheit an Menschen, die diese Technologie bedienen können, so groß ist. Es gibt sehr wenige, die das können, aber eine riesige Nachfrage von Seiten der Unternehmen.
Das heißt nicht, dass diese Menschen schlecht ausgebildet sind – in der Regel sind sie sehr gut ausgebildet. Doch die Prämie bekommen sie nicht für ihren Bildungsabschluss, sondern für ihre Kompetenz, mit der KI zu arbeiten.
Dieser Sachverhalt wird sich noch verstärken, denn mit jeder neuen Welle der technologischen Entwicklung wird die klassische Bildung hinterherhinken.
Was können Arbeiter:innen tun, um in dieser Entwicklung nicht zurückzufallen?
Es lohnt sich generell, neue Sachen zu lernen. Die Ökonomie einmal beiseite gelassen: Lebenslanges Lernen kann Alterskrankheiten wie Allzheimer eindämmen. Deshalb lohnt es sich immer, sich weiterzubilden.
Wenn wir die Wirtschaft betrachten, gibt es bestimmte, nachgefragte Kompetenzen. Die können sich übrigens ändern: Was heute gefragt ist, kann in einem Jahr völlig uninteressant sein. Die Grundkompetenz des Lernens wird aber immer gefragt sein.
Arbeitnehmer:innen sollten Chancen zur Weiterbildung nutzen, vor allem im eigenen Betrieb. Studien zeigen, dass Weiterbildungen in der eigenen Firma am effektivsten sind – man ist nah an der Technologie; man weiß, was gebraucht wird; man kennt sich und hat so weniger Hemmungen, Fragen zu stellen.
Die Daten zeigen eindeutig, dass wir uns nicht zurücklehnen dürfen. Und dass es sich lohnt, am Ball zu bleiben.
Und was sollten die Firmen tun?
Firmen sollten das Lernen zum Teil des Arbeitsprozesses machen. Gerade in Ländern wie Österreich, die nicht mit übertrieben großen Mengen an Rohstoffen gesegnet sind, ist das Humankapital die wertvollste Ressource. In die lohnt es sich, zu investieren.
Das sollte sich auch widerspiegeln im Arbeitsablauf der Firmen. Google zum Beispiel gibt vor, dass 20 Prozent der Arbeitszeit dem Lernen vorbehalten sind.
Manche Firmen haben Angst, dass dadurch 20 Prozent an Output und somit an Umsatz verloren gehen. Das ist jedoch eine Fehlannahme, wenn man bedenkt, wie die Produktivität steigt, wenn die Mitarbeiter:innen zusätzliche Kompetenzen bekommen.
Das gleicht sich mehr als aus – aber natürlich erst im weiteren Verlauf. Zu Beginn fallen tatsächlich 20 Prozent an Output weg. Eine Möglichkeit, dem zu begegnen, wären staatliche Unterstützungen.
Es scheint, als würde eine Hälfte der Gesellschaft Angst vor der KI haben und die andere sich darauf freuen. Welche Seite hat recht?
Die Angst ist berechtigt, weil sich gerade ein fundamentaler Umbruch ereignet. Es ist vollkommen menschlich, da nervös zu werden. Aber KI wird niemals Arbeitsplätze in Massen stehlen – das war nie so und das zeigen auch keinerlei Prognosen.
Wir sehen sogar das Gegenteil: In vielen Berufen gibt es mehr Nachfragen nach KI-Talenten, als es der Arbeitsmarkt bedienen kann. 50 Prozent der KMUs in Europa suchen händeringend IT-Experten, nicht nur in der Materie selbst, sondern auch in den Randbereichen.
Einen Recap der Schaffarei Konferenz gibt es in der AK Mitgliederzeitschrift AKtion vom Dezember 2023.